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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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kam geritten und überbrachte die Nachricht, dass die Kaiserlichen Herrenberg geplündert hätten und nun auf dem Weg zu uns seien. Hier gäbe es etwas zu holen, so erzähle man sich im feindlichen Lager.«
    Ein Stöhnen ging durch die Menge. Dann kam Bewegung in sie.
    »Wo ist denn unser Stadtvogt?«, rief ein Mann. »Warum kommt er nicht selbst und steht uns bei in dieser schweren Stunde?«
    »Er lässt sich entschuldigen«, antwortete der Büttel. »Und er lässt euch sagen, dass ihr Ruhe bewahren und in euren Häusern bleiben sollt.«
    Vom Fluss her war ein Schuss zu hören.
    »Sie kommen!«, kreischte eine Frau. Eine Welle der Angst ergriff die Calwer Bürger.
    Kopflos rannten sie in alle Richtungen davon, den Stadttoren zu. Elisabeth wurde von der Menge mitgerissen, sie rannte um ihr Leben. Ob die Stadttore offen waren? Würden sie es schaffen, vor den Augen der Kaiserlichen aus der Stadt hinauszukommen? Wo waren ihre Eltern und ihre Geschwister? Elisabethkonnte sie nirgends entdecken. Gänse stoben laut schnatternd davon, Schweine quiekten und brachten sich vor den rennenden Leuten in Sicherheit. Als sie das äußere Tor erreichten, sah Elisabeth, dass es verschlossen war. Von außen wurde dagegen gehämmert. Um Gottes willen, dachte Elisabeth, lass sie nicht hereinkommen, lass diesen Kelch an uns vorübergehen! Jetzt war das Tor offen, und Männer mit blutverschmierter Kleidung strömten herein. Elisabeth erkannte den Metzger unter ihnen, der ihr am Morgen die Leber verkauft hatte. Ihr fiel ein, dass vor dem Tor der Metzgerplatz lag, wo Rinder, Schweine und Hühner geschlachtet wurden.
    »Gott sei Dank habt ihr das Tor geöffnet«, rief einer der Metzger. »Wir fühlen uns nicht mehr sicher da draußen.«
    »Wer hat geschossen?«, fragte eine befehlsgewohnte, leicht schwankende Stimme. Elisabeth erkannte den Stadtvogt.
    »Es muss einer von Euren Lausbuben gewesen sein«, sagte der Metzger, »die sich nicht entblöden, sich am helllichten Tag auf dem Marktplatz zu besaufen.«
    »Das geht Euch nichts an«, versetzte der Stadtvogt. »Geht jetzt wieder in Eure Häuser zurück. Wer gut und rechtschaffen ist, dem wird nichts geschehen.«
    Murrend und nur allmählich zerstreute sich die Menge. Elisabeth ging gedankenverloren zum Marktplatz zurück. Im Haus fand sie ihre Familie versammelt.
    »Es war blinder Alarm, ich habe es schon gehört«, sagte ihr Vater. »Jetzt lasst uns essen und früh ins Bett gehen.«
    Am anderen Nachmittag gegen fünf Uhr wurde eine Trompete geblasen. Elisabeth hörte das Bersten der Stadttore bis in die Stube hinein. Von allen Seiten her drang das Bellen der Falkonette. Die Stadt wurde von den Kaiserlichen mit leichten Geschützen beschossen. Das Herz klopfte Elisabeth bis zum Hals, ihre Beine zitterten. Sie lief zum Fenster und sah wie in ihrem Traum einen Wald aus Piken durch alle Gassen kommen. Ihre Mutter lief wie ein Vögelchen umher, versuchte, etwas zusammenzupacken,um es im letzten Augenblick zu verstecken. Der Vater packte sie am Arm, rief nach seinen Kindern und lief mit ihnen die Stiege zum Dachboden hinauf. In der Eile stolperte Elisabeth, schlug der Länge nach auf die Stiege, rappelte sich wieder auf. Auf dem Dachboden schob der Vater Lukas und seine Frau zu einer Kiste und bedeutete ihnen, hineinzukriechen. Den beiden Mädchen wies er einen Platz in einem großen Schrank an. Drinnen roch es dumpf und modrig. Alte Kleider und Pelze hingen herab, hinter denen sich Agnes und Elisabeth versteckten. Von draußen hörte Elisabeth Schüsse und Schreie, die nichts Menschliches mehr an sich hatten. Der Schweiß brach ihr aus allen Poren. Dicht an sie gedrängt hockte Agnes, die ebenfalls nass von Schweiß war. Durch einen Spalt in der Schranktür konnte Elisabeth einen Streifen Tageslicht sehen, den staubigen Boden und eine Ecke der Truhe, in der ihre Mutter und ihr Bruder um ihr Leben bangten. Die Schreie von draußen wurden immer lauter. Jetzt mussten die Soldaten im Nachbarhaus sein. Elisabeth hörte Flüche, herzzerreißendes Wimmern eines Kindes und dann ein Klatschen, als sei ein menschlicher Körper aus dem Fenster geworfen worden. Sie war halb ohnmächtig, bekam keine Luft mehr. Ein Hustenreiz quälte sie zunehmend. Agnes hatte ihre Arme um sie geschlungen und weinte leise vor sich hin.
    »Sei ruhig!«, zischte Elisabeth ihr zu. »Willst du, dass sie uns finden?«
    Das Tageslicht machte allmählich der Dämmerung Platz, aber immer noch waren die Schüsse und Schreie von
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