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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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diesem Augenblick wurde eslaut auf dem Platz. Eine Gruppe jüngerer Leute torkelte zum Brunnen und ließ sich an dessen Rand nieder. Sie trugen Pumphosen, Stulpenstiefel, Wämser aus gewalktem Tuch und Federhüte. Mein Gott, das ist ja der Stadtvogt mit seinen Kumpanen, dachte Elisabeth, muss er sich in dieser Zeit betrunken hier herumtreiben? Die Männer stimmten einen Gesang an und drehten sich dazu im Kreis. Als Elisabeth ihren Weg fortsetzen wollte, kam ein Mann zu ihr herüber.
    »Darf ich Euch geleiten, schönes Kind?«, fragte er mit schwerer Zunge. Sein Atem roch nach Wein.
    »Geleite Er sich lieber selbst zurück auf den Pfad der Tugend!«, gab sie zurück.
    Verdutzt blieb der Mann stehen. Er machte einen drohenden Schritt auf sie zu. Dann reckte er den Kopf.
    »Potz Stern!«, rief er. »Die Frau ist aber nicht auf den Mund gefallen!«
    Elisabeth lief schnell zurück ins Haus ihrer Eltern.
    »Was ist? Du bist ja ganz außer Atem«, sagte ihre Mutter, die ihr den Korb und die Kanne aus der Hand nahm.
    »Ich musste mich vor einem Trunkenbold retten«, entgegnete Elisabeth, »und ich verstehe nicht, warum sich unser Stadtvogt am helllichten Tag besäuft, anstatt sich um die Geschicke der Stadt zu kümmern.«
    »Dem ist es völlig gleichgültig, was aus uns wird«, sagte die Mutter mit einem Seufzer. »Wir müssen uns selber helfen, dann hilft uns Gott.«
    Sie stellte Korb und Kanne auf den Küchentisch.
    »Nun walte deines Amtes als Köchin«, meinte sie.
    Die Mutter zog sich zurück, wahrscheinlich zum Beten. Elisabeth nahm ein Messer, legte die Leber auf ein Brett und begann sie aufzuschneiden. Blut tropfte ihr über die Finger. Sie zögerte einen Augenblick, schnitt dann die Leber in fingerdicke Schnitten, streute Salz und Pfeffer darüber und legte die Scheiben auf den Rost des Ofens. Während sie langsam rösteten,schnitt Elisabeth Speck, den sie zusammen mit Schmalz in einer gusseisernen Pfanne ausließ. Darin briet sie die geschnittenen Äpfel und Grieben. Aus dunklem, in Fleischbrühe eingeweichtem Brot, Mehl, Zimt, Muskatnuss und Essig stellte sie eine dunkle Soße her, gab die Leberstücke in die Pfanne und ließ alles eine halbe Stunde kochen. In der Zwischenzeit brachte sie in einem Topf Wasser zum Sieden und schabte einen Teig aus Eiern, Mehl und Milch hinein. Die Uhr von der nahen Kirche schlug die zwölfte Stunde, der Vater würde bald heimkehren. Agnes und Lukas kamen in die Küche.
    »Das riecht aber gut«, sagte Agnes. Sie steckte den Finger in die Soße und leckte ihn ab.
    »Warte, bis das Essen auf dem Tisch steht!«, rief Elisabeth und drohte ihr mit dem Zeigefinger. »Mach dich lieber nützlich! Du kannst Schüsseln, Teller und Besteck aufdecken.«
    Die Familie versammelte sich um den Tisch. Elisabeth trug die Leber in einer Schüssel auf und goss Äpfel, Schmalz und Grieben darüber. Sie ließ die Teigwaren in einem Seiher abtropfen und gab sie in eine weitere Schüssel. Nach dem Gebet begannen sie zu essen. Der Vater legte Gabel und Löffel beiseite, lobte Elisabeths Kochkunst und berichtete über das, was er im Pfarrhaus erfahren hatte.
    »Unser Superintendent Andreä hat sich entschlossen, zusammen mit seiner Frau die Stadt zu verlassen. Er wird nach Neuweiler zum dortigen Pfarrer gehen. Sie nehmen mit, was sie tragen können.«
    »Warum schließen wir uns ihnen nicht an?«, fuhr seine Gattin auf.
    »Ja, lasst uns fliehen!«, pflichtete Elisabeth ihr bei. »Die Kaiserlichen können jeden Tag eintreffen.«
    »Aber nicht nach Neuweiler, nach Baden will ich gehen!«, versetzte Agnes.
    »Wir bleiben«, beharrte der Vater. »Uns werden sie verschonen, denn wir haben nicht viele Reichtümer.«
    »Und was ist mit den Bildern von Cranach und Dürer, was mit dem Tafelsilber für hohe Feiertage?«, warf die Mutter ein. »Und mit der Truhe voller Goldgulden?«
    »Das ist alles wohlverwahrt und versteckt. Auf dem Dachboden.«
    »Dann befehle ich uns in Gottes Hand«, sagte die Mutter. Als wäre es ein Zeichen gewesen, ertönte in diesem Augenblick eine Glocke auf dem Marktplatz. Alle sprangen auf und liefen hinaus. Der Büttel des Stadtvogtes hatte sich am Brunnen aufgestellt. Von überall her strömten die Menschen herbei, derweil der Büttel weiter die Glocke schwang. Viele hatten ihre Fenster geöffnet und harrten gespannt der Dinge, die da kommen sollten.
    »Eine Nachricht hat unsere Stadt erreicht«, verkündete der Büttel feierlich. Die Feder auf seinem Filzhut wippte bedenklich. »Ein Bote
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