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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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und zum Trinken mitgenommen?
    »Ich habe Hunger«, klagte Agnes. »Ich will zu meiner Mutter, ich will in mein Bett!«
    »Wir kommen bald nach Neuweiler«, tröstete Elisabeth sie. »Dort wirst du zu essen bekommen und ein weiches Bett dazu.«
    Mit ihren sechzehn Jahren, zwei Jahre jünger als sie, war Agnes doch noch ein Kind. Hinter ihnen knackte es im Gebüsch. Elisabeth fuhr zusammen. Wurden sie von den Kaiserlichen verfolgt? Immerhin hatten sie sie über die Mauer steigen sehen. Zwei Frauen mit einer Schar von Kindern lösten sich aus dem Dunkel. Gott sei Dank, es waren offensichtlich Flüchtlinge wie sie selbst.
    »Hütet euch davor, Fackeln anzuzünden«, sagte die ältere der beiden Frauen.
    »Wir haben gar keine«, erwiderte Elisabeth. »Und wenn wir welche hätten, warum sollten wir sie nicht anzünden?«
    »Weil wir von den Söldnern verfolgt werden.«
    Elisabeth Mut sank. So sehr hatten es die Söldner auf ihre Habseligkeiten abgesehen, dass sie selbst den beschwerlichen Weg in den Schwarzwald nicht scheuten!
    »Wohin geht Ihr?«, fragte Elisabeth.
    »Nach Neuweiler, zum Superintendenten, der dort bei einem Pfarrer weilt«, antwortete die Frau. Sie blickte die andere Mutter an, und sie zogen weiter. Agnes und Elisabeth standen auf und folgten ihnen, verloren sie aber bald aus den Augen. Bald kamen sie an einem Schafott vorbei, einem erhöhten Podest, dem Blutgerüst, auf dem die Delinquenten mit dem Schwert gerichtet wurden. Schaudernd wandte Elisabeth sich ab, Agnes schien es nicht näher zu berühren. Nach etwa zwei Stunden bergauf und bergab erreichten sie den Weiler Zavelstein. Wie Perlen auf einer Schnur lagen die kleinen Häuser an der einzigen Straße aufgereiht. Die Wolken hatten sich inzwischen verzogen, es war eiskalt, und der Mond beschien die alte Burg am Ende der Straße. Alles war still. Elisabeth zog ein paar gelbe Rüben aus einem Garten und wusch sie notdürftig in einem Brunnen. So hatten ihre Zähne wenigstens etwas zum Beißen. In der Burg brannten noch einige Lichter. Der Weg führte hinab ins Tal, dann wieder ganz hinauf. Manchmal, wenn sie auf einer Straße liefen, hörten sie Reiter kommen und versteckten sich angstvoll im Gebüsch. Über Schmie erreichten sie schließlich das Dorf Neuweiler. Es herrschte eine unheimliche Ruhe. Sie hielten auf die Kirche zu. Aus dem Glockenstuhl des Daches ertönten zwölf Schläge. Vom Pfarrhaus her näherte sich eine Schar dunkel gekleideter Menschen. Keiner sprach ein Wort.

2.
    Im Näherkommen erkannte Elisabeth den Superintendenten Andreä, dessen Frau und einige andere Calwer Bürger. Andreä, in seinem Talar mit dem pelzbesetzten Kragen, über den er einen wollenen Umhang geworfen hatte, sprach die beiden an.
    »Ihr seid doch Elisabeth und Agnes Weber, Töchter des Mesners von Calw.«
    »Ja«, bestätigte Elisabeth. In diesem Augenblick wurde ihr bewusst, welcher ungeheuerlichen Lage sie gerade erst entronnen waren.
    »Wir sind, zusammen mit vielen anderen, aus der Stadt geflohen«, sagte sie.
    »Es werden immer mehr«, stellte Andreä fest, über ihren Kopf hinweg zum Waldrand blickend. »Was ist mit euren Eltern, eurem Bruder?«
    »Sie wurden misshandelt, dann hat uns ein Söldner befreit«, sagte Elisabeth und kämpfte mühsam die Tränen nieder. »Ich weiß nicht, wo sie sich jetzt befinden.«
    »Ich hoffe, sie konnten sich retten«, meinte Andreä. »Und ich werde Gott darum bitten, seine Hand über sie zu halten.«
    »Haltet euch nicht so lange auf«, beschwor sie ein Mann, der neben Andreä stand.
    »Ihr werdet verfolgt, ihr müsst fliehen!«
    »Das ist der Maier des Dorfes«, erklärte Andreä. »Er bringt uns zu den Wäldern, durch die wir uns nach Aichelberg und zur Enz durchschlagen wollen. Pfarrer Rebstock hat uns gut mit Essen versorgt.« Er zog sein Felleisen vom Rücken, fasste hinein und gab den Mädchen jeweils ein Stück Brot und Wurst und einen Schluck Wein aus einem Lederbeutel.
    »Hier, nimm das Felleisen, ich brauche es nicht mehr.« Er reichte Elisabeth den Rucksack.
    »Habt Ihr selbst denn noch genug?«, fragte Elisabeth.
    »Wir teilen alles miteinander, es ist ausreichend für alle da«, sagte er.
    »Ich danke Euch, Herr Superintendent.«
    »Nun müssen wir gehen«, meinte er. Elisabeth und Agnes schlossen sich der kleinen Schar an.
    »Was ist mit unserer Tante?«, fragte Elisabeth unterwegs leise den Superintendenten.
    »Sie ist heute Mittag nach Calw hinuntergegangen«, antwortete Andreä. »Sie ließ sich nicht
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