Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten
Autoren: Julian Lees
Vom Netzwerk:
Prolog
    Von oben betrachtet sah der Fluss Juru wie ein gelbbraunes Band aus, das sich durch den Dschungel der malaiischen Halbinsel wand. Sein Lauf führte ohne Unterbrechung hundertzehn Kilometer weit vom hölzernen Damm bis zum Meer, vorbei an Affenkolonien, dichten grünen Vorhängen aus Palmwedeln und Langhäusern aus Bambusrohr und Schilf.
    Auch wenn einmal täglich ein Zug aus dem nördlich gelegenen Penang kam und die Güter der Welt außerhalb des Dschungels in die Region brachte, waren es nach wie vor die Nebenflüsse, welche die Hauptverkehrswege durch den Regenwald bildeten. An ihren sandigen Ufern boten barfüßige Männer mit locker um den Kopf gewickelten Stoffstreifen Ananas zum Verkauf an. Hühner mit leuchtend roten Federn trippelten stolz umher, während Frauen in schulterfreien Sarongs Krabben für die belacan -Paste zermahlten. Alte Frauen, die sich zum Schutz gegen die Sonne die Gesichter weiß gepudert hatten, hockten auf dem Boden und siebten Reis.
    Für die Menschen war der Juru Quell des Lebens . Er nährte sie wie eine Mutter ihr Kind, versorgte sie mit Shrimps und Fischen, reinigte ihre Kleidung und wusch den Staub aus ihren Haaren. Er bewässerte ihre Gummibäume, löschte ihre Feuer und trug ihre Ausscheidungen mit sich fort. Die Menschen, die an seinem Ufer lebten, huldigten seit vielen Jahrhunderten seiner Kraft und schätzten den Reichtum, mit dem er sie stets bedachte.
    Deshalb kamen die Dorfbewohner einmal im Jahr in der Nähe der Flusskrone zusammen, um ein großes Fest zu feiern.
    Eine Reihe von Drachenbooten tanzte auf dem schwarzen Wasser, Rümpfe prallten zusammen, Paddel stießen aneinander. Acht Boote aus Teakholz, von denen bei der drei Kilometer langen Wettfahrt auf einem der Zuflüsse des Juru jedes Boot ein Dorf aus der Umgebung vertrat, bewegten sich langsam auf die Startposition zu.
    Sehnige Ruderer mit nackten Oberkörpern saßen paarweise hintereinander und ließen ihre Muskeln spielen. Sie plauderten miteinander und winkten der versammelten Menge fröhlich zu. »Mm ho dam sum!«, riefen sie.
    »Gaa dai lik!Gaa dai lik! Dem kampong zur Ehre!«, gaben ihre Anhänger mit lauter Stimme zurück.
    Sobald der bomoh , der Schamane des Dorfes, ausgestattet mit einem gelben Beutel voller Spatzennester und Tierknochen, seinen Segensspruch gesungen hatte, kletterte der Vorsteher der örtlichen chinesischen Gemeinschaftauf ein auf Pfählen stehendes Podium und hielt die Schwanzfeder eines Nashornvogels mit ausgestrecktem Arm vor sich in die Luft. Zweihundert Paddel wurden aus dem Wasser geholt.
    In der Mitte eines jeden Bootes befand sich ein überdachter Schrein. In ihm standen je ein Mann mit einer gigantischen Trommel, einer mit einem Gong und ein weiterer mit einem Becken. Der Trommler des Bootes, das dem Podium am nächsten war, der Herzschlag seiner Mannschaft, hielt seine Bambusstöcke in die Luft, während er aus dem Augenwinkel heraus den Vorsteher beobachtete.
    Die Boote waren nebeneinander aufgereiht und trotzten der Strömung. An ihren Hecks flatterten bunte Fahnen im Wind. Die Dorfhunde tollten an den Ufern herum. Schulmädchen mit Hibiskusblüten im Haar hielten gebannt den Atem an. Der Vorsteher der chinesischen Gemeinde sah sich noch einmal um und legte den Kopf schief. Dann ließ er die Feder fallen.
    Ein Brüllen! Dann machten alle acht Drachenboote einen Satz nach vorn. Kunstvoll geschnitzte Drachenköpfe aus Holz, mit roten und gelben Schuppen bemalt, durchpflügten die Wasseroberfläche. Knallfrösche explodierten. »Da fahren sie!«, kreischten die kleinen Jungen, die auf den Schultern ihrer Väter saßen. Die Schulmädchen quietschten begeistert und warfen Kokosraspel in die Luft.
    »Schneller, schneller, Po On Village!«
    Trommeln dröhnten, Gongs erschallten, Becken schepperten. Aufgeregte Kinder jubelten und winkten wild mit den Armen. Hühner und Gänse stoben davon, als kleine Jungen auf Fahrrädern, ihre Schwestern auf dem Gepäckträger, am Ufer entlang die Verfolgung aufnahmen.
    Po On Village war eine ländliche Siedlung, etwa hundertfünfzig Kilometer nordwestlich von Kuala Lumpur, deren Einwohnerschaft sich hauptsächlich aus Gummibaumzapfern, Holzarbeitern und einigen Fischern zusammensetzte. Bei einer Einwohnerzahl von achthundert – bei den Chinesen eine glücksbringende Zahl, die für Reichtum, Gleichgewicht und Symmetrie stand – lebten Chinesen und Malaien Seite an Seite in aus attap -Wedeln und Holz gebauten Häusern. Auf der Rückseite
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher