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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
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ihre Füße.
    «Und? Passen sie?», fragte er eifrig.
    Sie konnte nur nicken. Diese Schuhe, sie würde sie hüten ihr Leben lang. Sie waren ihr wertvoller als eine ganze Truhe voller Schmuck es je würde sein können.
    Auf der Weiterreise machte Carolus Pläne.
    «Wir können zusammenarbeiten. Du behandelst die Frauen und ich die Männer. Wir können einander raten und helfen.»
    «Du vergisst dabei, dass man mir die Lizenz weggenommen hat. Du weißt, was mir blüht, wenn man mich erwischt.»
    «Aber das war in Paris. Diese Nordländer, die sind anders als wir. Hier bei uns herrscht römisches Recht, wir sind zivilisiert. Hier herrscht die Vernunft, verstehst du?», erregte sich Carolus. «Paris, ja die Sorbonne steht unter der Herrschaft der Kirche. Aber die Provence gehört zum Königreich Neapel, wo die Universitäten Sache der weltlichen Regierung sind.»
    «Das Comtat Venaissin und Pertuis gehören der Kirche», erinnerte Calixtus.
    «Mag sein, aber dennoch ist man bei uns im Süden toleranter. Danielle, wir könnten nach Salerno schreiben und um eine neue Lizenz für dich nachfragen. Sicher wird man sie dir dort nicht verweigern. Du wirst doch in den Büchern von Salerno registriert sein.»
    Danielle zögerte: «Ja, schon, aber   …»
    «Möchtest du denn nicht in deinem Beruf arbeiten? Ich dachte   …»
    «Weil ich im Beginenhaus alles andere tun wollte, als Kranke anzurühren? Es hätte mich an das erinnert, was ich gern vergessen wollte. Ich war verbittert. Sie wollen nicht, dass ich meinen Beruf ausübe? Dann soll eben die Welt ohne mich zurechtkommen, habe ich gedacht. Aber auf meiner Wanderung, habe ich wieder erfahren, dass es Menschen gibt, die mich brauchen. Das hat mir gutgetan. Dennoch bleibt es eine Tatsache, dass man mir Exkommunikation und Todesstrafe angedroht hat, sollte ich es je wieder wagen, als Ärztin zu praktizieren.»
    «Aber war es nicht Alessa di Ruggieri, die man in Paris verurteilt hat? Sie darf nicht mehr praktizieren. Danielle von Pertuis, die Frau von Carolus, die kann es schon», sagte Carolus.
    «Das ist wahr», sagte Danielle nachdenklich. «Nur wäre ich dann keine ausgebildete Ärztin mehr.»
    «Du könntest als meine Helferin arbeiten – wenigstens so lange, bis du deine Lizenz wiederhast. Ich weiß, es ist eine große Schande. Du bist eine viel bessere Ärztin als ich ein Arzt.»
    «Das ist mir gleich. Wenn ich nur den Beruf ausüben kann, den ich gelernt habe. Wenn die Leute sehen, dass es gute Heilerinnen gibt, dann vergessen sie vielleicht ihreVorurteile. Eines Tages, das weiß ich genau, werden an allen Universitäten Frauen zugelassen werden.»
    Carolus machte Pläne. Danielle beobachtete ihn ein wenig atemlos. Seine Augen glänzten im Licht der neuen fabelhaften Möglichkeiten. Sie liebte ihn schon allein für seinen Enthusiasmus. Sie musste wohl selbst ähnlich gewesen sein, früher einmal. Überrascht und ein wenig wehmütig durchforschte sie ihre Erinnerung nach jenem jüngeren, mutigeren, unversehrten Selbst, nach ihren alten Hoffnungen und hochfahrenden Erwartungen. Und siehe da: Es war doch nur verlegt und nicht verloren! In einem staubigen Winkel ihrer Seele schwelte noch ein Funke. Vielleicht – an Carolus’ Seite – würde er wieder zu einer Flamme werden. Ganz bestimmt würde er das! Eine andere Art von Glut, aber besser als zuvor, weil es jetzt zwei Funken gab, die einander nähren konnten.
    Die beiden fingen an, sich über Medizin auszutauschen. Unentwegt diskutierten sie Arzneien und Heilmethoden, doch als sie beim Abendessen in der Herberge davon anfingen, wie man am besten Abszesse öffnete, da protestierte der Mönch: «Es ist ja schön, dass ihr nun endlich etwas zum Reden gefunden habt. Aber nun hört einmal damit auf und lasst einen Christenmenschen in Ruhe sein Mahl genießen. Das ist ja nicht auszuhalten mit euch!»
    «Bevor ich zu dir ziehe, Carolus, muss ich noch einmal zurück ins Beginenhaus», flüsterte Danielle.
    «Warum denn das? Du kannst doch bei einer meiner Schwestern wohnen, wenn es der Anstand erfordert. Sie würden dich willkommen heißen», wandte Carolus ein.
    «Nein, die Beginen haben mich bei sich aufgenommen, und ich habe mich ihren Hausregeln unterworfen. Also muss ich zurück und ordnungsgemäß darum bitten, dass sie mich aus ihrer Gemeinschaft entlassen.»
    Danielle hatte Angst vor ihrer Rückkehr gehabt. Doch als sie die Ostseite des Mont Aventure hinter sich gelassen hatten und es auf Pertuis zuging, da fühlte sie
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