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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
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könnten ein Fenster am Richtplatz mieten. Es wird teuer werden. Das ist es immer bei solchen Gelegenheiten. Aber vielleicht kann ich einen Handel machen. Dann kannst du von oben unerkannt zuschauen.»
    «Das genügt nicht. Sie muss mich auch sehen können. Sie muss um meine Gegenwart wissen.»
    Carolus warf vor Verzweiflung beide Arme in die Luft. «Du wirst dich umbringen. Und uns dazu!»
    Calixtus legte den Kopf schief und betrachtete Danielle nachdenklich. «Deine Verkleidung ist recht gut, aber man kann sie noch verbessern. Ob dich Barbara dann in der Menge wahrnimmt?»
    «Wir haben ein Zeichen. Daran wird sie mich erkennen.»
    Calixtus bückte sich, hob eine Hand feuchten Sand und Schlick auf und fuhr Danielle damit über die Wange. «Schon besser. Ich habe eine Idee. Kommt!»
    Carolus und Danielle folgten dem Mönch durch die Gassen der Fischer, vorbei an den Korbflechtern und Netzflickern, und kamen schließlich in ein übel beleumundetes Viertel.
    «Wartet hier», sagte der Mönch. Er ging über die Straße zu einem Haus, dessen Fensterläden zu dieser Tageszeit geschlossen waren. Eine Laterne mit rotem Glas hing über dem Eingang. Calixtus betätigte den Türklopfer. Nach einer Ewigkeit schaute eine Frau heraus. Danielle und Carolus beobachteten, wie der Mönch zunächst mit der Frau verhandelte. Schließlich ließ sie ihn ein.
    Eine Matrone hatte das beobachtet. «Da sieht man’s wieder, wohin es mit der Kirche gekommen ist, heutzutage!», schnaubte sie verächtlich.
    «Auch Huren brauchen einen Beichtvater, die sogar noch mehr als andere», sagte Danielle.
    «Tsk!», machte die Matrone nur und ging ihrer Wege.
    Als Calixtus wieder erschien, winkte er Danielle. Sie ging zu ihm. Er zog sie ins Haus und stellte sie einer alten Frau vor. «Das ist Madame Hamza. Sie hat eingewilligt, uns zu helfen. Du bleibst bis morgen hier im Haus. Man wird dir eine Kammer geben. Lass dich ja nicht auf der Straße blicken, hörst du?»
    «Ja, Bruder Calixtus.»
    «Morgen Abend, wenn sie Barbara zum Scheiterhaufen bringen, dann werden diese Frauen dich schminken und ein wenig zurechtmachen, wie nur sie es verstehen. Dann bringen sie dich zur Richtstätte. Dort werden wir dich finden. Eins musst du mir aber versprechen: Wenn Barbara dich gesehen hat, dann kommst du ohne weitere Widerrede mit uns. Es wäre zu gefährlich, bis zum Schluss zu bleiben», sagte Calixtus eindringlich.
    «Wie hast du die Huren überredet, uns zu helfen?», fragteCarolus den Mönch, als die beiden sich auf die Suche nach einer geeigneten Herberge machten.
    «Ich habe ihnen angeboten, für ihr Seelenheil zu beten. Es war nicht schwer, ihnen vor Augen zu führen, dass es sich für sie lohnt, ein paar gute Taten anzusammeln. Übrigens sind diese Damen oft sehr viel freundlicher und hilfsbereiter als die sogenannten guten Bürger», antwortete er.
    «Calixtus, du überraschst mich.»
    «Ich wäre dir allerdings sehr verbunden, wenn du diese ganze Geschichte für dich behieltest. Ich bezweifle stark, dass mein Abt mit meinen Handlungen und erst recht mit meinen Bekanntschaften einverstanden wäre.» Er bekreuzigte sich mit einem hastigen und schuldbewussten Blick gen Himmel.
     
    Am nächsten Tag summte die Stadt förmlich vor Erregung und gespannter Erwartung. Schon seit dem Vormittag waren Männer damit beschäftigt, das Holz für den Scheiterhaufen aufzuschichten. Als Carolus und Calixtus dort ankamen, fanden sie den Platz vor der Kathedrale Sainte-Marie de la Seds zum Brechen voll. Ganz Toulon war zusammengelaufen, um das Schauspiel zu sehen. Aus jedem Fenster der umliegenden Häuser hingen die Gaffer in Trauben. Selbst auf den Dächern saßen rittlings Schaulustige.
    Sie drängelten sich bis nach vorne durch. Die Leute protestierten laut und erbost. Aber wenn sie sich nach den Störenfrieden umdrehten und den Mönch erkannten, machten sie Platz. Carolus entdeckte eine Gruppe von Huren, grell geschminkt und in schreiend bunten Kleidern, die nach Kunden Ausschau hielten und offenbar in der allgemeinen Erregung schon Interessenten gefunden hatten. Aber so sehr er sich anstrengte, er konnte Danielle nicht unter ihnen finden.
    «Nicht da», raunte Calixtus. «Die dort!»
    Entgeistert blickte Carolus eine Begine an, aber was für eine seltsame Schwester war das! Die Kleidung ähnelte zwar dem Habit der frommen Frauen, aber sie war enger und verhüllte so gut wie nichts: Das Höllenfenster ließ beinahe die Brustknospen frei, die Taille war raffiniert
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