Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
Vom Netzwerk:
Danielle, als sie aus dem Stadttor traten.
    Carolus sah sich ein wenig bedauernd nach dem Mietstall um, wo sie den Ackergaul und das Maultier von Calixtus hatten lassen müssen. «Wir haben sie verkauft, um Bestechungsgeld für den Henker zu haben. Zum Glück ist noch etwas übrig, wovon wir unterwegs leben können. Aber ich fürchte, wir müssen zu Fuß zurück.»
    Ihr Nachtlager machten sie unter freiem Himmel aufdem Pass, wo der Karren umgekippt war. Calixtus entfachte ein Feuer in einer Senke.
    Danielle hatte auf dem ganzen Weg kein einziges Wort gesagt. Carolus riss sie aus ihren Gedanken. «Nie wieder spotte ich über weibliche Schwatzhaftigkeit. Sprich mit mir!», bat er sie.
    «Was willst du denn wissen?»
    «Alles, deine Kindheit, dein Leben vor Pertuis. Ein wenig hat mir Jeanne schon erzählt, aber du wirst dir schon die Mühe machen müssen, mir alles noch einmal und ganz genau zu erzählen.»
    Das Feuer war zur Glut zusammengefallen, als sie endete: «Und so dachte ich, es sei besser fortzugehen, weil ich allen nur Schwierigkeiten gebracht habe.»
    «Und fragst du gar nicht nach Laura?», sagte Calixtus.
    «Ihr habt das Kind wiedergefunden, oder nicht? Ich war mir sicher, dass es auftauchen würde, sobald ich aus dem Wege war.»
    «Es war Catherine.»
    «Ja, ich weiß. Es gab ja gar keine andere Möglichkeit. Aber ich wusste auch, dass sie es nicht fertigbringen würde, dem Kind ihrer Schwester ernstlich zu schaden. Ich war es, der sie schaden wollte», sagte Danielle.
    «Warum hast du das niemandem gesagt?»
    «Wie? Ich soll eine Frau beschuldigen und ins Unglück stürzen, der ich schon den Mann genommen habe? Was ist ihr geschehen? Was habt ihr mit ihr gemacht, als es herauskam?»
    «Ihr ist nichts geschehen. Marius und Laura haben ihr vergeben. Und wir haben uns ausgesprochen. Ist das nicht eigenartig: Solange wie wir verlobt waren, hat sie versucht, die Heirat hinauszuzögern. Und als ich mich von ihr trennen wollte, da wollte sie mich auf einmal haben.»
    «Mein lieber Carolus, es ging nicht um dich, auch wenn das deiner männlichen Eitelkeit Abbruch tun mag. Kannst du dir nicht vorstellen, wie sie vor den Leuten dasteht? Sie ist fast zu alt, um zu heiraten, jedenfalls nach Meinung der Klatschbasen. Der Verlobte läuft ihr weg wegen einer anderen. Das Gerede, der Spott, die Sticheleien: Das muss eine Qual für sie gewesen sein.»
    Carolus sah eine Weile nachdenklich in die Glut.
    «Es wird für dich nicht einfach werden, wenn du mit mir kommst. Kein neues Leben, so wie du es dir gewünscht hast.»
    «Das macht nichts. Mein altes Leben ist gut genug, wenn nur du darin bist», sagte sie sanft.
    Sie schliefen am Feuer, in die Maultierdecken gehüllt. In Méounes konnten sie für Danielle etwas zum Anziehen kaufen. Es gab dort eine Näherin. «Du hast Glück. Ich habe etwas Fertiges da. Eine Kundin hat es bestellt, und dann gefiel es ihr nicht. Da, es ist dir vielleicht ein wenig kurz, so großgewachsen wie du bist.»
    Es war ein geschnürtes Kleid im hellen Rotbraun von Buchenblättern im Herbst, an Rock und Ärmelsäumen grün bestickt, dazu ein Überkleid, das mit Eichhörnchenpelzen besetzt war. Es gab sogar einen gelben Schleier dazu.
    «Du siehst noch hübscher aus ohne diese weiten Beginenröcke», sagte Carolus bewundernd, als sie aus der Nähstube trat. Danielles Wangen röteten sich. Sie hatte noch nicht vergessen, wie wohl sich eine Frau in einem neuen Kleid fühlt.
    «Gegen bescheidenen Schmuck ist nichts einzuwenden», mahnte Calixtus. «Aber hüte dich vor Luxus und Eitelkeit! Sie haben dich schon einmal ins Unglück gestürzt.»
    «Ach ja   …», murmelte Carolus plötzlich. Er wühlte in seinem ledernen Umhängebeutel und förderte schließlichein paar feine rotbraune Frauenschuhe zutage. «Hier, die passen doch besser dazu als deine alten», sagte er und hielt sie Danielle hin. Sie erkannte das Leder und die Machart, und eine verräterischer Feuchtigkeit stieg ihr in die Augen. Es waren dieselben, die sie auf dem Johannismarkt in Pertuis bestellt, aber nie abgeholt hatte.
    «Hast du sie etwa doch gekauft für mich und sie die ganze Zeit mit dir herumgetragen?»
    Er nickte, etwas verlegen. «Irgendwie hat sich nie die Gelegenheit geboten, sie dir zu geben.»
    Da stand sie nun, barfuß, Tränen in den Augen und die neuen Schuhe in der Hand.
    «Willst du sie nicht anziehen? Gefallen sie dir nicht?», fragte Carolus.
    Sie bückte sich rasch und zog mit zitternden Händen die Schuhe an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher