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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
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geschnürt, der Rock geschürzt, sodass man wohlgeformte Fesseln sehen konnte. Und das Gesicht: grell geschminkt und gepudert –. Nein, das konnte nicht seine Danielle sein. Oder war sie es doch? Ja, sie war es. Er erkannte sie an einer winzigen Bewegung des Kopfes, an ihrer Haltung.
    Lärm und Trommeln auf der Hauptstraße verrieten ihnen, dass der Richtkarren nahte. Bald sahen sie den Henker vorneweg schreiten, dann den Karren, der von vier Ochsen gezogen wurde, darauf einen Käfig, in dem die Begine eingesperrt war. Sie stand aufrecht und gefasst und hielt sich mit beiden Händen am Gitter fest, während Kot und Abfälle flogen, Fäuste geschüttelt, Verwünschungen und Schmähungen geschrien wurden. Ihre Lippen bewegten sich. Sie betete.
    Der Karren hielt an, der Käfig wurde geöffnet. Barbara erblickte den Scheiterhaufen, und erst jetzt schien ihr so recht klarzuwerden, welches Schicksal sie erwartete. Von einem Lidschlag zum nächsten verlor sie die Fassung. Todesangst verzerrte ihre Züge. Sie begann sich zu wehren, als die Soldaten nach ihr griffen.
    «Wie? Jetzt fürchtest du dich, deinem Herrn, dem Satan, zu begegnen? Das hättest du dir früher überlegen sollen!», schrien die Männer und zerrten an ihr. Sie hielt sich fest und entwickelte plötzlich unheimliche Kräfte. Sie mussten ihr mit Knüppeln und mit den Knäufen ihrer Schwerter fast die Hände zerschlagen, ehe sie die Gitterstäbe fahrenließ. Die Menge johlte und pfiff: Was für ein Schauspiel! Endlich hatte man sie herunter vom Karren.
    Der Strick schnitt in ihren Hals, als man sie vorwärtsriss. Mit weitaufgerissenen Augen blickte Barbara um sich. Nur Feinde sah sie, hasserfüllte, verzerrte Fratzen, keinen einzigen Freund, kein einziges mitleidiges Menschengesicht. Einer der Büttel, der Barbara am Strick führte, stutzte und blieb vor der zweiten Begine stehen, vor der, die sich unter die Gaffer gemischt hatte. Carolus hielt den Atem an. Doch dann bemerkte der Büttel die grellgeschminkten Lippen und das Wangenrot. Er grinste wissend, zwinkerte Danielle zu und strich ihr im Vorbeigehen über die baren Brüste. Barbara hatte die als Begine verkleidete Hure ebenfalls entdeckt. Ihr Gesicht verfinsterte sich noch mehr, voll Wut jetzt. Sie wollte schon vor Verachtung ausspucken, da machte diese vermeintliche Hure ihr ein kaum wahrnehmbares Zeichen mit der Hand   – Barbara verstand.
    Sie senkte kurz ihre Lider zum Gruß. Dann ließ sie sich vollkommen gefasst zum Holzstoß führen. Eberhardus selbst trat noch einmal zu ihr und redete auf sie ein. Offensichtlich wies sie ihn zurück. Kopfschüttelnd wich er von ihr zurück und überließ sie dem Henker und seinem Knecht.
    «Komm jetzt!» Calixtus war hinter Danielle in der Menge aufgetaucht und zog sie mit sich.
    «Lass uns jetzt schnell die Stadt verlassen, solange noch alle von dem Schauspiel abgelenkt sind. Barbara wird nicht leiden. Carolus hat den Henker bestochen, dass er sie erwürgt, sobald der Rauch ihm Deckung bietet.»
    «Ich muss noch bleiben. Sie soll dem Tod nicht ohne Trost begegnen müssen, nicht von allen verlassen.»
    Calixtus verdrehte die Augen.
    «Es ist zu gefährlich! Komm!»
    «Nein!»
    Die Umstehenden wurden schon aufmerksam und verspotteten den Mönch.
    «He! Hast du dich nicht in der Adresse geirrt?!»
    «Lass ihn doch, auch ein Klosterbruder muss mal seinen Spaß haben!», johlten sie.
    Beschämt ließ Calixtus die falsche Begine los.
    Danielle blieb stehen, bis der Rauch hochstieg. Durch die Schwaden hindurch meinte sie zu erkennen, wie der Henker Barbara flink eine Seidenschnur um den Hals legte und zuzog. Barbara sackte in sich zusammen. Danielle drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch die Menge hinaus. Calixtus tauchte an ihrer Seite auf, als sie sich gerade mit dem Rockzipfel die Schminke von Mund und Wangen rieb.
    «Kein Wunder, dass die Leute so schlecht von den frommen Frauen denken! Was für eine gemeine Scharade; so etwas gehört verboten», schimpfte Danielle.
    Kurz vor dem Stadttor holte Carolus sie ein. «Wo hast du das falsche Beginengewand her?», fragte er erschrocken.
    «Die Huren hatten eines oder sogar mehr. Sie haben mir gesagt, es würde häufig von ihrer Kundschaft verlangt.» Danielle zupfte verlegen am Stoff des Kleides, im hilflosen Versuch, ihre Brüste zu bedecken. Calixtus gab ihr seinen Umhang.
    «Ich glaube, ich überlege mir das mit den Fürbitten noch einmal», brummte er ärgerlich.
    «Habt ihr keine Reittiere?», fragte
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