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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel
Autoren: Elisabeth Klee
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gesehen habe. Als sie mich gebraucht hätte, da war ich nicht da. Ich habe sie im Stich gelassen. Das ist die Erinnerung, die sie nun von mir haben wird. Es ist schrecklich, verstehst du das nicht?»
    Die Wellen fuhren unbeteiligt mit ihrem Spiel fort. Die Nau verschwand hinter dem Cap Carqueiranne und der Festung. Dort drehte sie bei und folgte dem Küstenverlauf gen Westen, vorbei an den vielen kleinen Fischernestern, die wie Perlen aufgereiht lagen in ihren Pinienwäldern, im Schilfgestrüpp und zwischen den Feigenkakteen, bewacht und überragt von den rosigen und goldenen Hängen des Massif des Maures. Sie war fort. Der Horizont war weit und leer.
    Carolus ließ sich in den Sand fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Er weinte.
    Calixtus stand hilflos daneben. Ein paar Schritte entfernt kam wieder eines der kleinen Ruderboote heran. Er hörte, wie die Ruder scharrend eingezogen wurden und auf den hölzernen Boden rumpelten. Das Boot glitt auf den Sand und kam mit einem Ruck und einem Knirschen zum Stehen. Eine Gestalt sprang heraus. Calixtus schaute kurz in die Richtung und wieder fort. Es war ein einzelner Matrose.
    Der Mann näherte sich, blieb vor Carolus stehen und sagte mit Danielles Stimme:
    «Weinst du etwa meinetwegen? Nun fange ich wirklich an zu glauben, dass du mich liebst.»
    Es war tatsächlich Danielle! Sie trug weite Kniehosen und einen Kittel und hatte das Haar unter einer Mütze versteckt.
    Carolus sprang auf und schaute sie an wie eine Erscheinung. «Danielle! Du fängst an zu glauben   …? Was muss ich noch tun, Weib, soll ich mir das Herz aus der Brust reißen und es dir in die Hände legen? Wenn es möglich wäre, weiß der Himmel, ich würde es tun!»
    «Behalt dein Herz. Es ist dort gut aufgehoben, wo es ist. Solange es für mich schlägt», sagte sie zärtlich.
    «Wie? Hatten wir nicht festgelegt, dass die Seele in der Lunge wohnt?», mischte sich Calixtus ein, der ein breites Grinsen nicht unterdrücken konnte.
    «Nein. Sie ist im Herzen. Ich spüre es ganz genau», sagte Carolus. Er zog Danielle in seine Arme und ließ sie eine sehr lange Zeit nicht los. «Aber wie bist du entkommen?», fragte er endlich.
    «Der Kapitän kannte meinen Vater. Sie haben schon oft Geschäfte miteinander gemacht. Und so habe ich auch erfahren, dass meine Familie noch lebt. Sie werden ihnen meine Grüße überbringen und ihnen sagen, dass es mir gutgeht.»
    «Warum bist du zurückgekommen? Hast du uns erkannt?»
    «Ja», sagte sie. «Ja! Ich habe zum Ufer geschaut und Lebewohl gesagt. Ich habe mich ganz verlassen gefühlt, und da habe ich dich am Strand stehen sehen.»
    «Von dort draußen hast du mich erkannt? Was, wenn ich es nicht gewesen wäre?»
    «Ich würde dich überall erkennen, Carolus. Und da habe ich den Kapitän gebeten, mich zu dir zu lassen.»
    «Aber er macht sich eines Verbrechens schuldig, wenn er einer verurteilten Ketzerin hilft», sagte Calixtus.
    «Pah, Verbrechen! Er ist Neapolitaner, dieser Kapitän. ‹Es ist ein viel größeres Verbrechen, Liebende zu trennen›, hat er gesagt. Er hat mir eines der Beiboote gegeben – das er meinem Vater sicher in Rechnung stellen wird   –, und nun bin ich hier», lachte Danielle.
    Calixtus schüttelte den Kopf. Diese Neapolitaner waren doch ein loses Volk! «Müsstest du nicht ein Büßerhemd tragen mit einem gelben Ketzerkreuz darauf?»
    Übermütig vor Erleichterung raffte Danielle die weiten Hosen und machte ein paar Tanzschritte im feuchten Sand. «Das scheußliche Büßerhemd, das durfte ich gleich ablegen, als ich an Bord kam! Ein französischer Papst, der nicht einmal in Rom lebt, der hat bei uns nicht viel zu sagen», rief sie.
    «Danielle!», rief Carolus und kniete vor ihr. «Ehe wieder irgendetwas Unvorhergesehenes geschieht: Willst du meine Frau werden?»
    «Ach, Carolus», sagte Danielle. «Du glaubst, ich sei so sanft und beherrscht, wie du mich als Begine kennengelernt hast. Aber du ahnst ja nicht, was es mich gekostet hat, wie sehr ich mich bemüht habe, eine andere zu sein, als ich bin. In Wirklichkeit habe ich ein schreckliches Temperament!»
    «Ich weiß, ich weiß!», rief Carolus ungeduldig. «Aber wenn ich eine sanfte Frau gebraucht hätte, dann hätte ich ja Catherine nehmen können.»
    Für die Dauer eines Wimpernschlages zogen sich Danielles Augenbrauen wieder zusammen, doch dann lachte sie auf: «Also gut: Du weißt, was du bekommst. Und – natürlich will ich!»
    «Calixtus! Traue uns! Hier und jetzt! Nach
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