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0259 - Ich stürmte den rollenden Sarg

0259 - Ich stürmte den rollenden Sarg

Titel: 0259 - Ich stürmte den rollenden Sarg
Autoren: Jason Dark
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Der Penner fror.
    Das lag nicht an der Temperatur, sondern allein an dem Wissen, nicht mehr allein zu sein.
    Das quälte ihn.
    Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht. Unter sich spürte er die alte Decke. Er hatte seinen langen grauen Mantel angelassen. Die Nächte im März waren noch sehr kalt, zudem besaßen Güterwaggons keine Heizung, und er fuhr mit seiner rechten Hand an der Mantelseite entlang, damit die Finger in der klappenlosen Tasche verschwinden konnten. Dort bewahrte er einen seiner Schätze auf. Es war ein altes Sturmfeuerzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Er wollte und würde es nie wegwerfen, denn im Gegensatz zu vielen modernen Feuerzeugen funktionierte es immer.
    Sami Sorge streckte seinen rechten Arm aus. Das Feuerzeug hielt er zwischen Daumen und Handballen eingeklemmt und drückte mit der Daumenspitze auf den Auslöser.
    Ein paar Funken wirbelten über dem nassen Docht, und einen Augenblick später fing er Feuer.
    Eine zuckende blaßrote Flamme mit einem gelblichen Rand tanzte über der kleinen Öffnung und verbreitete einen hellen Kreis. So klein die Flamme auch war, so groß zeigten sich die Schatten, die von ihr geschaffen wurden und über die Innenwände des Waggons tanzten.
    Sie sahen aus wie gestaltlose Ungeheuer, aber Sami hatte sich vor Schatten noch nie gefürchtet. Menschen waren da gefährlicher. Er ließ seinen Arm nicht in der Stellung, sondern schwenkte ihn und beschrieb einen Halbkreis.
    Ein Teil des Waggons wurde so weit ausgeleuchtet, daß er Dinge erkennen konnte, die sich außer ihm noch darin befanden. Zwei alte Fässer, ein zusammengelegtes Tau und die zerbrochenen Holzstücke einer Kiste. Einen Menschen sah er nicht.
    Noch nicht, wie Sami zugeben mußte, denn es gelang ihm nicht, mit der kleinen Flamme auch die ihm gegenüberliegende Seite des Waggons anzuleuchten. Sie blieb im Dunkeln.
    Mit der linken Hand stützte der Penner sich ab. Er tat selten etwas, wenn, dann jedoch gründlich. Und er würde nicht eher Ruhe haben, bis er sich von seinem Verdacht überzeugt hatte und ihn auch bestätigt bekam.
    Sami stand auf, ging ein paar Schritte, und nach dem dritten fiel die Dunkelheit wieder über ihm zusammen, denn sein Daumen war abgerutscht.
    »Mist!« schimpfte er, wollte, sich wieder seinem Feuerzeug widmen, als er in der Bewegung innehielt.
    Etwas hatte er gehört.
    Ein seltsames Geräusch. Mit einem Knurren oder Atmen zu vergleichen.
    So genau war das nicht herauszubekommen, aber da mußte sich etwas anbahnen, und er war sicher, sich nicht getäuscht zu haben.
    Plötzlich bekam er eine Gänsehaut. Von oben nach unten rann sie über seinen Rücken. Fast witternd schob er den Kopf vor und fragte flüsternd in die Dunkelheit: »Ist da jemand?«
    Vor ihm blieb es still.
    »He, Partner, melde dich! Sag doch etwas, wenn du da bist! Los, mach keinen Quatsch!«
    Jetzt würde der andere sicherlich etwas erwidern, doch abermals wurde Sami enttäuscht.
    Es blieb still.
    Unsicherheit breitete sich in Sami Sorge aus. Sollte er sich tatsächlich so getäuscht haben? Hatte ihn sein Gefühl, auf das er immer gebaut hatte, verlassen?
    Er wollte es einfach nicht glauben. Und er wollte sich auch nicht mehr auf sein Feuerzeug verlassen. Wenn der andere gewalttätig wurde, kam er sich in dem Waggon vor wie in einer Rattenfalle. Deshalb gab es für ihn nur eine Möglichkeit.
    Auf mit der Tür!
    Auf Zehenspitzen schlich er dorthin. Sami kannte Waggons wie diesen wie seinen alten Wintermantel. Er wußte genau, wie er sich auch im Stockdunklen zu bewegen hatte, denn gut abgedichtet war der Waggon.
    Kein Lichtstrahl drang durch irgendwelche Ritzen.
    Der Penner brauchte nicht lange zu suchen. Zudem war die Tür nicht verriegelt. Er tastete nach dem Griff, bekam das Metall zwischen seine Finger und stemmte sich gegen die Tür, um sie aufzuschieben.
    Sie hakte ein wenig und rappelte auch. Dieses Geräusch übertönte ein anderes, denn der Stromer merkte nicht, daß sich aus dem düsteren Hintergrund des Waggons eine Gestalt löste, die direkt auf ihn zukam.
    Er konnte sie nicht sehen, ahnte sie nicht einmal, aber sie kam immer näher, und dann schaffte er es durch einen heftigen Ruck, die Tür weiter aufzuziehen.
    Jetzt endlich sah er besser. Durch den Spalt schaute er nach draußen, sah die Lichter des Abstellbahnhofs, die sich auch auf dem Schienenpaar vor ihm spiegelten, und er wollte die Tür weiter aufziehen, um nach draußen zu schlüpfen.
    Dazu kam er nicht mehr.
    Der andere war schneller.
    In dem
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