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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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nickte.
    Nach diesen Worten nahm der Biochemiker die Pulle zwischen seine fleischigen Lippen und leerte sie, ohne abzusetzen.
    Es brannte kein Licht. Auch nicht, als sie endlich in den Innenhof gelangten. Abgekämpft und durchgefroren hatten sie den schmalen Zugang zwischen Stallung und Heustadel entdeckt, aus dem Kristina vor knapp einer Woche eine geköpfte Henne entgegengerannt war. Kaum vorstellbar, dass dieses Ereignis erst so kurze Zeit zurücklag.
    Wegen des Unwetters war das Vieh im Stall extrem unruhig. Zwischen den Donnerschlägen brüllten die Kühe ihre Furcht in die angebrochene Nacht hinaus. Die Hühner waren verschwunden. Mitten auf dem Hof stand ein Traktorungetüm, das seinen Frontlader in den zuckenden Blitzgewitterhimmel reckte.
    Kristina spähte daran vorbei und hinüber in die Ecke, in der sie schemenhaft die Hundehütte erkennen konnte. Wie lang war die Kette, an welcher der Hofhund hing? Sie bezweifelte, dass sich die Töle bei diesem Sauwetter überhaupt ins Freie wagte.
    Kein Wetter, bei dem man einen Hund vor die Tür jagt
, kam ihr in den Sinn.
Nur zwei Beamte, die ein Rendezvous mit dem Teufel haben.
    »Sollen wir einfach so ins Haus gehen?«, brüllte Ralf über ihre Schulter in ihr Ohr.
    Mittlerweile hatten sie beide ihre Waffen gezogen. Über das Dach des Wohnhauses hinweg erkannte Kristina, mit welcher Gewalt der Orkan die Baumwipfel beugte. Wahrscheinlich trennte sie zwischenzeitlich nicht nur eine entwurzelte Kiefer von dem anrückenden Sondereinsatzkommando. An Verstärkung aus der Luft mittels Hubschrauber war schon gar nicht zu denken. Sie waren auf sich allein gestellt, wenn sie noch jemanden retten wollten. Und ja verdammt, das wollte Kristina. Dafür hatte sie sich durch Sturm und Hagel gequält.
    Wo sind die Mezgers?
    »Wir gehen durch die Milchküche«, entschied sie, weil sie diesen Weg kannte.
    Sie mussten sich nicht bemühen, leise zu sein. Der Sturm schluckte alle Geräusche.
    Er weiß ohnehin, dass wir kommen.
    Diese Gewissheit folgte ihr hinein in das Gebäude. Es war nicht abgeschlossen, und nachdem Ralf die Tür ins Schloss gedrückt hatte, umgab sie eine wohltuende Stille. Der tobende Wind, der Regen, der Donner drangen nur noch gedämpft an Kristinas Ohr. Selbst die Kälte blieb draußen zurück. Einzig die Angst war an ihrer Seite geblieben.

19
    Da war etwas, das Daniel fortwährend beschäftigte. Etwas, das Achterberg erwähnt hatte, bevor der Biologe die vom Wahnsinn getränkte Geschichte von Bruno Schwarz zum Besten gegeben hatte. Diese perverse Inszenierung, die sich nun im letzten Akt befand und von der niemand sagen konnte, wie sie ausgehen würde.
    Wenn der besessene Mörder sterben würde, weil er keine lebensverlängernden Fettzellen mehr erhielt, was würde dann aus seinen Gefangenen werden? Aus Daniel? Aus Achterberg, der ohnehin nicht mehr zu retten war, weil er sein Schicksal längst in Alkohol eingelegt hatte, um es noch eine kurze Weile zu konservieren. Lange genug, um den Vorhang fallen zu sehen.
    Daniel hatte nicht gewagt, nach dem Verbleib von Louise Osswald zu fragen, nachdem sie für den Remstalschlächter wertlos geworden war. Hielt er sie noch am Leben?
Um der alten Zeiten willen?
Aus Nostalgie oder des unüberwindbaren Hasses wegen, weil sie ihn verlassen hatte?
    Achterberg lag auf dem Rücken und schnarchte. In gewisser Weise war Daniel froh darüber. Solange der Leberzirrhosekandidat die Stille zwischen den Donnerschlägen zersägte, war der Mann noch am Leben und Daniel nicht allein in diesem Verlies. Mit diesem Gedanken schaffte er den Brückenschlag zu dem, was ihn unentwegt piesackte.
    Er war nicht allein, und er war vor allem nicht dort, wo er geglaubt hatte zu sein. Es war etwas, das Achterberg von sich gegeben hatte und das die Furcht in ihm noch potenzierte.
    Wo hat er dich erwischt? In der Villa?
    Sie befanden sich nicht mehr in der Villa. Schwarz hatte ihn und die anderen Geiseln, gleichsam sein Schlachtvieh, an einen anderen Ort gebracht. Der Teufel war geschwächt, aber nach wie vor verschlagen und unberechenbar. Wie sollte Kristina ihn jemals rechtzeitig finden?
    Das Entsetzen, das Daniel packte, reichte aus, um seine erschlaffte Muskulatur ausreichend zu stimulieren. Es gelang ihm, eine annähernd sitzende Haltung einzunehmen.
    Achterberg grunzte anerkennend. Unverzüglich darauf donnerte es ohrenbetäubend laut hinein in das Gefängnis, als entlade sich das Unwetter unmittelbar jenseits der fleckigen Ziegelwand, von der der
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