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Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)

Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)

Titel: Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
Autoren: Erin Kellison
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Prolog
    Pochend drängten sich die Schatten in den Ecken des Krankenhauszimmers aneinander. Die dunklen Bahnen bauschten sich zur Begrüßung freundlich auf, glitten an einem Tisch mit zwei fröhlichen Sonnenblumen vorbei und schlängelten sich durch die leise surrenden Maschinen zu Kathleens Bett.
    Bald. Ihr ganzes Leben lang hatten die Schatten sie begleitet, doch in Kürze würde die Dunkelheit sie völlig verschlingen.
    Auf der anderen Seite der hauchdünnen Schleier, die das Schattenreich von der Welt der Sterblichen trennten, wogten bereits die knorrigen Äste der Zwielichtlande. Das Flüstern der Todesboten nahte und steigerte sich zu einem unverständlichen Rauschen. Man erwartete sie bereits voller Vorfreude.
    Sehr bald.
    Kathleen ergriff die Hand ihrer Schwester und umklammerte sie fest; die Not gab ihr die nötige Kraft. Nachdem sie eine große Portion Sauerstoff durch den Schlauch an ihrer Nase inhaliert hatte, sagte sie: »Lass dich nicht von ihnen aus dem Raum schicken.«
    Maggie O’Brien presste die Lippen fest aufeinander. Die rötlichen Locken standen wirr um ihren Kopf, die Schminke unter den Augen war verschmiert. Mit der freien Hand griff ihre Schwester über das Krankenhausbett und schaltete das Licht aus.
    Rasch drängten die Schatten in die Lücke, und wie immer merkte Maggie nichts von dem Wirbel um sie herum. »Das haben wir doch alles besprochen«, erwiderte sie. »Du musst jetzt ein bisschen schlafen.«
    Kathleen konnte tatsächlich kaum noch die Augen offenhalten. Eigentlich musste sie sich ausruhen und darauf vorbereiten, dass ihre Zeit bald gekommen war. Doch Maggies Unterstützung ging vor. Sie brauchte sie dringend. Ebenso dringend wie die Intensivstation für Neugeborene, die Bereitschaftsärzte und die Maschinen, die die Schwestern bei einer Verschlechterung ihres Zustands alarmierten. Gerade damit sie gehen konnte. Ohne Maggies Unterstützung war alles andere umsonst. »Du musst dafür sorgen, dass das Baby vorgeht.«
    »Ich mag es nicht, wenn du so redest.« Maggie wandte den Blick ab.
    Da sie das in letzter Zeit häufiger tat, musste sich Kathleen noch einmal ihrer Unterstützung versichern. Nur für alle Fälle. »Du weißt, dass ich es so will.«
    Leise huschten die Herzschläge des Babys über einen Monitor. Kathleen konzentrierte sich auf das Geräusch, schöpfte Hoffnung und schaffte es, noch einmal Luft zu holen.
    Sie betrachtete Maggies Profil: Ihre Schwester biss die Zähne zusammen und schluckte schwer.
    Schließlich sagte Maggie mit rauer Stimme: »Und was ist mit dir? Du glaubst doch nicht etwa, dass ich … dich … Du bist meine Schwester .« Maggie rang nun ebenfalls nach Luft, stützte sich auf den Knien ab und sackte auf ihrem Stuhl zusammen.
    »Ich komme klar.« Er wartet auf mich.
    Maggie richtete sich wieder auf und warf ihr mit tränenerstickter Stimme vor: »Du musst kämpfen . Du kannst wenigstens versuchen , es zu schaffen.«
    Kathleen holte mühsam Luft. »Ich kämpfe doch, ich versuche es.« Sie setzte alles daran, ihre Tochter gesund zur Welt zu bringen, doch sie machte sich keine Illusionen darüber, was danach folgte. Wie auch, wenn der Raum sich zunehmend verdunkelte und die Schatten stetig näherkamen? Doch sie fürchtete sich nicht. Nicht, wenn er bei ihr war. Ihr Blick suchte in den glänzenden Schleiern des Schattenreichs nach ihm. Als sie ihn nicht fand, wandte sie sich wieder ihrer Schwester zu.
    Maggie schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf. Ihre Augen glänzten. »Nein, nicht für dich. Das stimmt nicht.«
    Kathleen rang erneut nach Luft. »Du weißt, dass ich das für mich tue, Maggs. Dieses Kind ist mehr als ich mir je erhofft habe. Ich bin glücklich. Bitte lass mich glücklich sein.«
    Wie sollte sie sich ihrer Schwester verständlich machen, wenn sie kaum sprechen konnte? Wenn dieses dunkle Zeug in ihre Lungen drang und ihr den Atem raubte? Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und das Piepen des Monitors ertönte in kürzeren Abständen, ebenso die leisen Herzschläge des Babys. Die Zahlen auf der digitalen Anzeige schnellten nach oben.
    Maggie sprang sofort auf. »Es tut mir leid, Kathy. Atme, Liebes. Ein und aus. Ein und aus.« Sie machte es ihr auf übertriebene Weise vor.
    Kathleen wollte Sauerstoff in ihr Blut und ihr Herz pumpen, damit das Baby noch ein bisschen in ihr wachsen konnte. Sie konzentrierte sich auf den Schlauch in ihrer Nase. Fünfundzwanzig Wochen lautete die goldene Zahl, aber mit jedem weiteren Tag stiegen die
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