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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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setzte sich in Bewegung. Geduckt, mit vorgehaltener Pistole und nah an der Wand entlang, bis kurz vor die Treppe. Kristina folgte ihm, tastete sich vorwärts, hinein in die Finsternis. Es gab zwei Nischen auf ihrer Seite des Flurs, so weit hatte sie sich die Architektur eingeprägt. An beiden kam sie ungeschoren vorbei.
    Noch drei Meter. Der gellende Schrei ihres Kollegen lähmte sie in ihrem nächsten Schritt. Gleichzeitig vernahm sie ein schmatzendes Geräusch. Ralf brüllte wie am Spieß über das Donnergrollen hinweg. Kristina wollte zu ihm, helfen, aber dann würde sie in dieselbe tödliche Falle laufen.
    Der zweite Schlag war deutlich zu hören. Es klang, als hätte ein Schlachter mit dem Hackebeil ein Kotelett geteilt. Kristina zielte über die Köpfe hinweg und schoss. Der Donnerschlag schluckte den Knall. Der Widerschein des Mündungsfeuers tanzte vor ihren Augen. Beißender Schießpulvergeruch drang in ihre Nase. Es herrschte Stille. Ralf schrie nicht mehr, das war noch grauenhafter als sein fürchterliches Brüllen.
    Entsetzen erschütterte Kristinas Inneres. Wo zur Hölle blieb Decher?
    »Ralf!«, rief sie in die Finsternis und bekam nur das Grollen aus den Wolken als Antwort.
    Auf Donner folgte Blitz, und das war so unabdingbar wie der Anblick, der sie erwartete. Die Bühne des Grauens war leer. Allein die Kulisse war übrig und die zeigte genug, um die Fantasie mit Bestürzung zu füllen. Das bläuliche Licht spiegelte sich in dem dunkel glänzenden Fleck unterhalb der ersten Stufe. Von Schwarz und Ralf fehlte jede Spur.
    Er musste ihn die Treppe runtergeschleift haben. Das erschien ihr die einzig logische Erklärung. In keine andere Richtung hätte er mit dem Neunzig-Kilo-Mann so schnell verschwinden können.
    Kristina musste hinterher. Vielleicht war es weniger Blut, als es das Flackern des Blitzes ihr vorgegaukelt hatte.
    Wieso hatte sie abgewartet, nachdem die Gestalt im Treppenschacht aufgetaucht war? Wer hätte ihr einen Vorwurf gemacht, wenn sie unverzüglich geschossen hätte? Ihr Finger hatte auf dem Abzug gelegen, bereit, sich zu krümmen. Auch wenn ihre Atmung viel zu hektisch gewesen war, um einen sauberen Schuss abzugeben. Sie hätte es beenden können, bevor Ralf ins Verderben geschlichen war.
    Nein, sie musste ja auf den nächsten Blitz warten. Weil sie in ihrer ganzen Dienstzeit noch nie auf einen Menschen geschossen hatte. Aber da war noch etwas anderes gewesen, das sie zurückgehalten hatte.
    Warum die Axt?
    Schwarz war im Besitz von Osswalds Pistole.
    Die nächste Lichtkaskade überholte ihre Überlegungen. Sie näherte sich der Pfütze und bückte sich. Es war Blut, keine Frage. Sie musste es nicht sehen, der Geruch, die Konsistenz dessen, was sie zwischen den Fingern rieb, verriet es. Ralf war schwer verletzt, wenn nicht schlimmer.
    Der Tritt traf sie hart in die Seite. Ohne Halt zu finden, stürzte sie in den lichtlosen Schacht.
    Unmöglich
, dachte sie noch, wie konnte er so plötzlich hinter ihr sein? Dann schlug sie mit dem Schädel gegen die Wand, während der Rest ihres Körpers auf die kantigen Stufen prallte. Der Schmerz war gewaltig und binnen einer Zehntelsekunde überall. Sterne explodierten vor ihren Augen. Die Pistole glitt aus ihren Fingern und polterte mit ihr zusammen in die Tiefe.
    Im grellen Flackern wurde die Person über ihr zu dem schwarzen, bedrohlichen Fleck auf einem Röntgenbild. Der Tumor, der entfernt werden musste, um das Überleben zu sichern. Ihr Überleben.
    Kristina hatte nicht das Bewusstsein verloren. Verkrümmt lag sie mit den Beinen nach oben in der Biegung der Treppe. Sie konnte sich bewegen. Aber es schmerzte. Wie es schien, hatte sie sich nichts gebrochen. Ihre Hand ertastete etwas Feuchtes. Sie musste eine offene Wunde haben. Oder das Blut gehörte Ralf.
    Wenn er in den Keller hinabgezerrt worden war, wie konnte Schwarz ungesehen so schnell wieder bei ihr oben sein?
    Und wo verflucht noch mal war ihre Waffe?
    »Sie hätten nicht kommen dürfen«, ertönte es über ihr aus der Finsternis zwischen den Blitzen.
    Kristina vergaß augenblicklich die Explosionen und den Brandherd, die durch ihren Körper jagten.
    »Doreen, sind Sie das?«
    Keine Antwort. Oder Kristina hatte sie überhört, weil Thor über den Wolken erneut seinen Hammer niederschmetterte.
    »Wieso sind Sie nicht weggeblieben?« Es klang verzweifelt, aber ohne den flehenden Unterton, der in der Regel mitschwang, wenn die Furcht einen gefangen hielt.
    »Wir sind auf Ihrer Seite«,
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