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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde
Autoren: Woody Guthriie
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EINFÜHRUNG
    Das Leben ist ganz schön hart …
Man hat Glück, wenn man’s überlebt.
Woody Guthrie
    1
    Am 14. April 1935 – Palmsonntag – war der umherziehende Schildermaler und Folksänger Woody Guthrie fest davon überzeugt, dass die Apokalypse an die Türen von Pampa, Texas, klopfte. Eine aus Nord- und Süd-Dakota kommende riesige Staubwolke fegte grimmig wie die Black Hills auf Rädern über den Panhandle, den »Pfannenstiel«, von Texas und löschte Himmel und Sonne aus. Als der Staubsturm sich der Stadt näherte, wurde der helle Nachmittag von einer unheilvollen Finsternis verdüstert. Furcht packte die Gemeinde. War ihr Schicksal besiegelt? Niemand in Pampa war vor dieser Bestie sicher. Mit Familie und Freunden in einer schäbigen Behelfshütte um eine einsame Glühbirne hockend, betete Guthrie, ein gläubiger Christ, ums Überleben. Wahnsinnige Winde fingerten sich durch die schlecht schließenden Fenster, die rissigen Wände und hölzernen Türen des Hauses. In Guthries enger Behausung hielten sich die Menschen nasse Lappen vor den Mund, um an dem wirbelnden Staub nicht zu ersticken. Atmen, selbst flaches und unregelmäßiges Atmen, war unendlich mühsam. Guthrie, die Augen zusammengekniffen, das Gesicht verzerrt, hustete und spuckte immer wieder Dreck.
    Was Guthrie in Pampa erlebte, dieser Wirbelsturm in der »Staubschüssel«, der Dust Bowl, war, sagte er, wie »das Rote Meer, das über den Kindern Israels zusammenschlägt«. Laut Guthrie konnten die verängstigten Bewohner von Pampa an jenem Aprilnachmittag drei Stunden lang »keinen Sechser in der Tasche, kein Hemd auf dem Buckel, kein Essen auf dem Tisch, nichts verdammtnocheins gar nichts« sehen. Als der Staubsturm endlich weiterzog, schippten die Leute Dreck von ihrer Veranda und schleppten körbeweise Schutt aus ihren Hütten. Guthrie, stets neugierig, versuchte, die Freude des Überlebens mit der allgemeinen Verzweiflung in Einklang zu bringen. Er registrierte die Verwüstungen in Pampa, wie es ein altgedienter Reporter getan hätte. Von dem dicken Ruß waren die Motoren der sonst so zuverlässigen GM-Autos und Fordson-Traktoren ruiniert. In den Viehpferchen und um die Holzhäuser türmten sich mächtige Dünen. Die meisten Rinder waren im Sturm verendet, weil der Sand ihnen Hals und Nase verstopft hatte. Selbst die Geier hatten den Wirbelsturm nicht überlebt. Bilder menschlicher Qual überall. Einige alte Leute, am schwersten getroffen, hatten bleibende Schäden an Augen und Lunge erlitten. Die Staublunge, wie die Ärzte die lähmenden Atemwegserkrankungen nannten, wurde im Panhandle von Texas zur Epidemie. Später schrieb Guthrie ein Lied darüber.    
    In einem kraftvollen Klagegesang, der stilprägend für seine Laufbahn als Balladendichter der Staubschüssel war, drückte Guthrie sein Mitgefühl mit den Überlebenden jenes Palmsonntags aus:
    On the fourteenth day of April,
    Of nineteen thirty-five,
    There struck the worst of dust storms
    That ever filled the sky.
    You could see that dust storm coming
    It looked so awful black,
    And through our little city,
    It left a dreadful track.
    Im Frühjahr 1935 war Pampa nicht die einzige Stadt, die durch die vierjährige Dürre Leid und Verluste erlebt hatte. Plötzliche Staubzyklone – schwarz, grau, braun und rot – hatten auch die trockenen Hochebenen von Kansas, Nebraska, Oklahoma, Arkansas, Texas, Colorado und New Mexico verwüstet. Dennoch hatte die Farmer, Rancher, Tagelöhner und Wanderarbeiter der Gegend nichts auf jenen Palmsonntag vorbereitet, als eine große schwarze Wolke und Dutzende weiterer, kleinerer Staubwolken sich rasch zu einer der schlimmsten ökologischen Katastrophen der Geschichte ausweiteten. Vegetation und Tierwelt wurden großflächig zerstört. Bis zum Sommer hatten die glühend heißen Winde hektarweise Ackerkrume abgetragen, und die endlose Dürre verwüstete die Landwirtschaft in den Tiefebenen. Arme Pächter wurden noch ärmer, weil ihre Felder verödeten. Während der gesamten Großen Depression, der Weltwirtschaftskrise, waren die Great Plains unerträglichen Qualen ausgesetzt. Die anhaltende Dürre der frühen dreißiger Jahre hatte die Ernte zerstört, den Boden erodiert und viele Todesopfer gefordert. Tausende von Tonnen dunkler Ackerkrume, mit rotem Lehm vermischt, waren aus Nebraska und den Dakotas hinunter nach Texas geweht worden, von Stürmen, die eine Geschwindigkeit von siebzig bis hundertzehn Stundenkilometern erreichten.
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