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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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berücksichtigen, die ihm blieb, nachdem Daniel hier aufgetaucht war?«, stellte sie zur Diskussion.
    Der Sturm hatte den Großteil der übermannshohen Pflanzen umgeknickt und zu Boden gedrückt. Sie lagen kreuz und quer über den Ackerzeilen. Perfekte Stolperfallen, die das Vorankommen beschwerlich machten. Hinzu kamen die bereits knöcheltief mit Wasser gefüllten Rinnen zwischen den Maisstaudenspalieren.
    Ralf stapfte voraus und funzelte mit der Taschenlampe umher wie ein Betrunkener. Nach wenigen Metern verhakte sich Kristina in den geknickten Holmen und klatschte der Länge nach in die schlammige Brühe. Erdiges Wasser drang in ihre Nase und füllte ihren Mund. Sie hustete und spuckte angeekelt aus. Sand knirschte zwischen ihren Zähnen. Ihr Fluchen übertönte den Donnerhall, der in einem lang gezogenen Grollen über sie hinwegrollte.
    Ralf drehte sich nach ihr um und leuchtete ihr dabei direkt in die Augen. Das machte sie für Sekunden lang blind und brachte ihm eine Salve Verwünschungen ein.
    Kristina rappelte sich auf. Ihre Klamotten klebten wie eine zweite Haut an ihr. Sie war von oben bis unten mit Matsch verschmiert, doch das spielte keine Rolle. Der Gewitterguss hatte sie vorher schon bis auf die Haut aufgeweicht. Hoffentlich hatte die Dienstwaffe nichts abbekommen.
    Bevor sie losmarschiert waren, hatten sie einen Funkspruch abgesetzt. Decher war informiert. Er würde mit der Feuerwehr anrücken, die erst den Baum von der Straße schaffen musste. Nach einer hitzigen Diskussion hatte er eingelenkt, dass sie nicht darauf warten sollten, bis Verstärkung vor Ort war. Immerhin waren sie zu zweit. Es war besser, zu verschweigen, dass sie weder Schutzwesten noch Reservemagazine im Auto hatten.
    So quälten sie sich durch das Maisfeld. Erhellte ein Blitz den Himmel, konnte Kristina für einen Wimpernschlag ihr Ziel ausmachen, immer dann, wenn sie sich an einer Stelle befanden, an der die Sturmböen genug Stauden umgeknickt hatten und ihnen freie Sicht die Orientierung erlaubte. Die Entfernung zum Bauernhof schien sich kaum zu verringern.
    Etwa auf halber Strecke setzte der Hagel ein. Nun waren es nicht mehr nur die Blätter der Maisstauden, die ihnen schmerzhaft ins Gesicht schlugen. Die Eiskörner waren groß wie Murmeln und trommelten kaum weniger peinigend auf sie herab als die Gummigeschosse aus den Übungspistolen bei der Polizeiausbildung.
    Gott will nicht, dass wir zum anderen Ende dieses beschissenen Ackers gelangen,
dachte Kristina. Oder es musste vielmehr der Teufel sein, der diesen Hagel schickte, um sie davon abzuhalten, seinem auf Erden wandelnden satanischen Gesandten das Handwerk zu legen.
    Ralf legte sich zweimal kurz hintereinander unfreiwillig in die vollgelaufene Ackerfurche. Danach funzelte die Taschenlampe nur noch, und sie waren auf die Blitze angewiesen, die in immer kürzeren Abständen das Schwarz des Himmels zerteilten. Der Sturm blies ihnen Dreck, Laub und ganze Maisstauden entgegen. Triefnass und malträtiert vom Eisregen erreichten sie nach einer gefühlten Ewigkeit den Ackerrain und taumelten auf die Wiese vor dem Mezgerhof.
    Das schmale Sträßchen war überspült, das Hoftor geschlossen. Hagelkörner klopften gegen das Holz, im Stakkato von aberhundert Fingerknöcheln, die um Einlass baten.
    Kristina und Ralf schleppten sich zu der im Tor eingelassenen Tür. Auch diese war verriegelt. Sie mussten einen anderen Weg finden. Um den Hof herum, irgendwie von hinten, wenn es sein musste, über den Misthaufen und durch den Stall. So wie sie aussahen, machte das keinen Unterschied mehr. Kristina zitterte in ihrem mit kaltem Regen vollgesogenen T-Shirt. Ihre Zähne klapperten.
    Konnte sie in diesem Zustand dem Teufel gegenübertreten?
    Daniel schreckte hoch. War er nochmals eingenickt? Wenn, dann war dieser Schlaf traumlos geblieben. Keine indischen Pizzagötter. Es war deutlich dunkler geworden.
    Das Pfeifen des Windes war nun sehr deutlich zu hören, wesentlich lauter als zuvor. Wann auch immer dieses Zuvor gewesen war. Ihm fehlte jegliches Zeitgefühl.
    Noch während er darüber nachdachte, stellte er fest, dass er die Finger seiner linken Hand bewegen konnte. Und noch mehr. Mit viel Willenskraft drehte er den Kopf, schleifte dabei seine Nase über die aufgeweichte Wellpappe, auf der die italienische Fahne aufgedruckt war. Von grün über weiß nach rot, dann war es vollbracht, und er sah im Zwielicht einen schemenhaften Klumpen, der ihn an einen unförmigen Sitzsack erinnerte.
    »Ich
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