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Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden

Titel: Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
Autoren: Sophia Bennett
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    Wir stehen im Atelier eines Modedesigners in Hoxton und bewundern uns im Spiegel. Das heißt, eigentlich soll sich Jenny in dem Kleid bewundern, das sie auf dem roten Teppich tragen wird. Was sie bestimmt auch tun würde, wenn sie darin nicht aussähe wie eine Kirschtomate. Edie und ich begleiten sie nur, aber der Spiegel nimmt die ganze Wand ein, und es ist schwer, sich nicht heimlich selbst anzusehen.
    Bis auf den Spiegel ist das Atelier groß und leer. Lauter Backsteinwände und hohe Fenster und Kleiderstangen. Meine Mutter würde »Loft-Ästhetik« dazu sagen. Ich sage, es fehlen ein bisschen Liebe und ein paar Polstermöbel.
    Im Spiegel begutachte ich meine Converse, die ich heute zum ersten Mal ausführe, nachdem ich sie mit Tipp-Ex aufgepeppt habe. Jetzt stehen ein paar gemäßigte französische Schimpfwörter drauf (und ein italienisches von meinem Brieffreund Marco). Ich kenne viel schlimmere. Ich fand sie lustig, und Jenny auch.Edie steht natürlich über solchen Dingen. Aber meine Mutter, als ich heute Morgen die Treppe runterkam … niemand würde glauben, dass sie früher Model war und HALB NACKT über den Laufsteg gegangen ist. Sie hätte mich gern so brav und intelligent wie Edie und möchte, dass ich eine Jugend habe, wie sie sie nie hatte. Dabei klingt die Jugend, die sie hatte, ziemlich aufregend.
    Bei den silbernen Leggings bin ich mir nicht mehr ganz so sicher, obwohl sie eigentlich wunderschön sind. Zu Hause in meinem Zimmer haben sie geschmeidig und verführerisch gewirkt, aber hier im Licht des Ateliers sieht es aus, als ob ich gleich abhebe. Dafür ist das Samttop echt süß. Es war mal ein Kleid, doch ohne die Ärmel und den Rock ist es viel schöner. Und die fingerlosen schwarzen Spitzenhandschuhe dazu sind ein echtes Schmuckstück. Alles in allem bin ich ziemlich zufrieden mit meinem Outfit.
    Edie versucht so zu tun, als würde sie sich nicht ansehen. Sie hat eine Modelfigur (im Gegensatz zu mir – ich komme nach meinem Vater, der Franzose ist, Gitanes raucht und praktisch Liliputaner ist), aber sie trägt immer nur knielange Röcke und Kate-Middleton-Blazer. Gähn. Wahrscheinlich könnte sie direkt nach der Schule Katalogmodel werden, aber nein, sie will lieber zu den VEREINTEN NATIONEN. Mum ist TOTAL beeindruckt.
    Edie betrachtet verstohlen ihr Gesicht. Sie ist hübsch, auf diese blonde, mittelscheitelige Art. Hinter ihren stahlgrauen Augen ist das Superhirn nicht sofort zu erkennen. Sie überlegt, ob sie sich einen Pony schneiden lassen soll. Das überlegt sie schon seit fünf Jahren und ist immer noch zu keinem Ergebnis gekommen. Dann merkt sie, dass ich sie ansehe, und tut schnell so, als würde sie Jenny bewundern, was sie sofort verrät.
    Jenny sieht im Moment nämlich überhaupt nicht bewundernswert aus. Ein reizendes Mädchen und meine beste Freundin, aber DIESES KLEID. Es steht ihr ganz und gar nicht. Und die Vorstellung, dass sie es nächste Woche bei der Filmpremiere anziehen muss …
    Jenny hat in den letzten anderthalb Jahren eine Menge geleistet. Sie hat sich von einer quirligen, sommersprossigen, lustigen Zwölfjährigen in eine vollkommen neue Version ihrer selbst verwandelt. Es fing damit an, dass sie Busen bekommen hat und eine ganze Kollektion von Pickeln im Gesicht. Außerdem hat sie in einem Actionfilm mitgespielt – mit Hollywoods heißestem Promipaar und DEM neuen Teenager-Sexgott. Nicht unbedingt das, wovon man träumt, wenn Busen und Pickel gerade sprießen. Und neuerdings hat Jenny Komplexe wegen ihrer Figur.
    Vor fünfzig Jahren hätte sie genau im Trend gelegen. Sie hat in etwa die Größe und die Figur von Marilyn Monroe. Doch bei dem Magerwahn, der heute herrscht, findet sie sich zu dick und ihre Brüste sind ihr peinlich. Ich bin diesbezüglich Spätentwickler, und Edie wird nie mehr als Spiegeleier haben. Jenny hat sogar Komplexe wegen ihrer Haut, weil sie so schnell rot wird. Und sie hasst ihre Sommersprossen und ihr kupferrotes Haar. Wahrscheinlich wäre sie am liebsten unsichtbar.
    Daraus wird nichts, wenn sie das Kirschtomatenkleid anzieht. Der Designer heißt Pablo Dodo. Den Namen muss man sich nicht merken, denn wenn er weiter solchen Schrott produziert, wird es ihn nicht mehr lange geben. Er ist der Cousin von einem der Filmproduzenten, und nur deshalb hat er den Auftrag bekommen. Er hatte die Idee, aus Jenny einen »Traum in Rot« zu machen. Was zeigt, wie wenig Fantasie er hat. Mit ihrem Haar und ihrer Haut ist sie das schon von Natur
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