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Schaut nicht weg

Schaut nicht weg

Titel: Schaut nicht weg
Autoren: Stephanie Zu Guttenberg
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Einleitung – Innocence in Danger e.V.: Mein Engagement gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen
    Einleitung
    Innocence in Danger e.V.:
Mein Engagement gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen
    Vor sechs Jahren fragte eine gute Bekannte, ob ich mir vorstellen könne, mich ehrenamtlich für sexuell missbrauchte Kinder einzusetzen. Das war die ehemalige Vizepräsidentin des DRK, Soscha Gräfin Eulenburg, Vorstandsmitglied bei Innocence in Danger e.V., einem Verein, der gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in den Neuen Medien kämpft. Ich erinnere mich, dass ich als erste Reaktion ein gewisses Unbehagen verspürte. Denn sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein kaum erträgliches Thema, eines, dem sich wohl jeder gesunde Mensch nur ungern zuwendet. Schwerer noch wird es, wenn man selbst Mutter ist – und meine beiden Töchter waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal dem Windelalter entwachsen. Doch Soscha zu Eulenburg hatte an mich gedacht, weil ich noch jung genug war, um mit der Internetwelt gut vertraut zu sein – und alt genug, um selbst Mutter zu sein. Zudem war ich gut vernetzt und somit in einer optimalen Position, um als Vorstand für Innocence in Danger e.V. Spenden eintreiben zu können. Für den kleinen Verein waren dies wichtige Kriterien. Ich hörte also aufmerksam zu und Soscha zu Eulenburg begann, von den Fakten zu berichten: Dass in Deutschland jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder neunte bis zwölfte Junge sexuell belästigt werden, dass 80 Prozent aller sexuellen Missbrauchsfälle im sozialen Nahraum stattfinden – der Familie, der Nachbarschaft, der Schule oder demSportverein. Und sie erzählte mir vom Internet: wie die Entwicklung des World Wide Web der Pädokriminalität und dem Vergehen an Kindern und Jugendlichen Tür und Tor geöffnet hatte, wie Millionen Bilder von Kindern, die regelrecht gefoltert werden, seit Jahren ungehindert im Netz kursierten. Ich war schockiert und dachte immer wieder: Das kann nicht wahr sein. Doch Soscha zu Eulenburg gab mir verschiedene Studien zum Nachlesen mit und bat mich, über ihr Anliegen nachzudenken.
    Ich las mich also in das Thema ein und war schnell entsetzt, wie vergleichsweise wenig ich über den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen weltweit wusste – und wie wenige Menschen es anscheinend gab, die sich aktiv für die Rechte der Opfer einsetzten. Mir wurde bewusst, dass wir mit dem sexuellen Missbrauch in unserer Gesellschaft bei weitem nicht achtsam genug umgegangen waren. Die vielen Fallgeschichten, die ich zu lesen bekam, zeigten mir, dass noch immer viel zu häufig geschwiegen und viel zu oft entsprechende Signale von Kindern nicht ernst genommen wurden. Ich las sogar, dass ein sexuell missbrauchtes Kind in Deutschland im Schnitt acht Erwachsene ansprechen muss, bis ihm endlich geglaubt wird. Die Ungerechtigkeit, die diesen jungen Opfern oft widerfährt, packte mich also sofort. Und dennoch rieten mir viele Freunde: Beschäftige dich nicht mit diesem Thema, es ist zu schlimm, du wirst es als junge Mutter nicht aushalten können. Natürlich konnte ich sie gut verstehen in ihrem Bedürfnis, mich zu schützen. Aber gleichzeitig wollte ich nicht so denken wie sie. Denn ich fand: Vom Wegschauen wird es auch nicht besser. Wenn sich nicht viele motivierte Menschen zusammentun, um mit ganzem Herzen gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern zu kämpfen, dann wird es nie besser werden. Dann wird man es nie schaffen, etwas zuverändern. Denn heute weiß man ja immer mehr darüber, welch schlimme seelische und psychobiologische Folgen sexuelle Missbrauchserfahrungen haben können. Viele Betroffene werden das erlebte Trauma nie wieder los. Es prägt sie in ihrem Liebes-, Familien- und Arbeitsleben. Die Hirnforschung hat gezeigt, dass die Traumata auch neurologische Spuren hinterlassen: Viele Betroffene verfügen nach derartigen Erlebnissen über ein geringeres Gehirnzellenwachstum, was wiederum eine biologische Prädisposition für verschiedene psychiatrische Erkrankungen begünstigt. Menschen, die als Kinder schlimme sexuelle Missbrauchserfahrungen machen mussten, sind also verwundet und müssen damit leben wie andere mit einer Kriegsverletzung. Es greift auf ihr ganzes Leben über.
    Ich empfand Soscha zu Eulenburgs Anfrage also schnell als eine große Herausforderung. Die Herausforderung nämlich, mich gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern in einem professionellen Team zu
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