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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis
Autoren: Ellis Peters
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der Menschheit findet ohne den Segen der Kirche zueinander«, sagte Cadfael, überrascht über seine eigenen Gedanken. »Und es ist nicht unbedingt die schlechtere Hälfte.
    Wenigstens wird dabei nicht um das Brautgeld geschachert und der Wert von Ländereien über den der Frau gestellt.«
    Olivier sah auf. Plötzlich wurde ihm bewußt, was für ein seltsames Gespräch sie führten und er lachte leise, um den Schlafenden nebenan nicht zu stören. »Diese Mauern hören ungewöhnliche Bekenntnisse, Bruder, und ich erfahre erst jetzt, wieviel Freiheit der Benediktinerorden bietet. Ihr klingt fast so, als sprächt Ihr aus Erfahrung.«
    »Vierzig Jahre war ich draußen in der Welt«, antwortete Cadfael einfach, »bevor ich Zuflucht zu den Regeln dieses Ordens nahm. Ich war Soldat, Seemann und Sünder. Sogar am Kreuzzug habe ich teilgenommen! Das wenigstens war eine edle Sache, wenn auch die Wirklichkeit hinter meinen Erwartungen zurückblieb. Damals war ich noch jung. Ich habe Tripoli, Antiochia und Jerusalem gesehen. Aber das ist alles schon so lange her - es wird sich viel geändert haben.«
    Ja, es war lange her... vor siebenundzwanzig Jahren hatte er dieses Land wieder verlassen!
    Der junge Mann freute sich, einen Gesprächspartner gefunden zu haben, der so weit in der Welt herumgekommen war und wurde gesprächig. Trotz der Hingabe an seinen neuen Glauben und seinem Ehrgeiz, sich als Ritter zu bewähren, sehnte sich ein Teil von ihm nach seiner Heimat. Er begann, von der königlichen Stadt und vergangenen Feldzügen zu erzählen, fragte Cadfael wißbegierig nach Ereignissen, die lange vor seiner Geburt stattgefunden hatten und pries den Zauber der Orte, an die sie sich gemeinsam erinnerten.
    »Ich frage mich allerdings«, sagte Cadfael und verzog das Gesicht bei dem Gedanken daran, wie oft die Franken durch ihr Versprechen ihr hochgestecktes Ziel verraten hatten und wie oft ihm die Heiden, gegen die sie gekämpft hatten, als die Edleren und Mutigeren erschienen waren, »ich frage mich, ob es Euch, der Ihr im Islam großgeworden seid, leicht gefallen ist, diesen Glauben aufzugeben - und sei es auch, um Eurem Vater zu folgen.« Noch während er sprach war er aufgestanden. Die Zeit des Wartens mußte jetzt bald vorbei sein. »Ich sollte die beiden wecken. Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Glocke zur Mitternachtsmette ruft.«
    »Es ist mir nicht leicht gefallen«, antwortete Olivier, dem jetzt zu seiner Verwunderung bewußt wurde, wie selten diese Zweifel ihn heimgesucht hatten. »Ic h war lange Zeit wie zerrissen. Es war schließlich meine Mutter, die den Ausschlag gab. Trotz der Verschiedenheit unserer Sprachen trug sie denselben Namen wie Eure Jungfrau Maria...«
    Hinter Cadfaels Rücken wurde die Tür zu dem kleinen Zimmer ganz leise geöffnet. Als er sich umdrehte sah er, daß Ermina, mit gerötetem Gesicht und schlaftrunken wie ein Kind, in der Tür stand.
    ».... sie hieß Mariam«, sagte Olivier.
    »Yves habe ich schon geweckt«, flüsterte Ermina. »Ich bin fertig.«
    Der Schlaf hatte die Qual des vergangenen Tages aus ihrem Gesicht getilgt und ihre großen, klaren Augen ruhten auf Olivier.
    Als er ihre Stimme hörte, fuhr sein Kopf hoch und er erwiderte ihren Blick so offen und frei, als hätten sie sich gerade umarmt.
    Cadfael stand wie verzaubert. Nicht der Name seiner Mutter, den Olivier genannt hatte, schlug ihn in seinen Bann, sondern diese stürmische Kopfbewegung, das weiche Licht auf Stirn und Wangen, das freie, unverhüllte Aufflammen der Liebe, welches das stolze Gesicht des Mannes für einen Augenblick in das einer Frau verwandelte, das Gesicht einer Frau, an das Cadfael sich nach siebenundzwanzig Jahren noch erinnerte.
    Wie im Traum wandte er sich ab, ließ sie allein und ging, um dem schlaftrunkenen Yves bei den Vorbereitungen für ihre Reise zu helfen.
    Als die Klosterbrüder in der Mitternachtsmette waren, ließ er sie zum Tor hinaus. Das Mädchen verabschiedete sich ernst und voller Würde und bat ihn, für sie zu beten. Yves schlief immer noch halb und gab Bruder Cadfael einen Kuß, wie er zwischen einem verehrten Erwachsenen und einem Kind zum Abschied üblich ist und der junge Mann tat es ihm unschuldig - und in Anbetracht der Tatsache, daß sie sich vielleicht ein Leben lang nicht wiedersehen würden nach und bot ihm die Wange dar. Ihr Aufbruch erforderte Stille und Heimlichkeit und so wunderte er sich nicht über Cadfaels Schweigen.
    Cadfael sah ihnen nicht nach, sondern schloß das
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