Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
retten und mich zurückzuholen und zum Schweigen zu bringen, sei es durch Heirat oder Mord.
    Leugnet es nicht! Ich habe Euch ausreiten sehen! Meint Ihr denn, ich sei so dumm zu glauben, daß ich Euch zu Fuß entkommen könnte? Oder so kopflos vor Angst, wie ein Hase davonzulaufen und Spuren für Euch zu hinterlassen? Ich ging nur bis zum Wald in Richtung der Straße nach Ludlow, wohin ich wie ihr annahmt fliehen würde, aber dann schlug ich einen Bogen zurück und versteckte mich die halbe Nacht bei den Baumstämmen, die Ihr für Eure feige Schutzmauer hattet schlagen lassen. Ich sah Euch ausreiten, Evrard, und ich sah Euch zurückkehren - Eure Wunde war aufgebrochen und es floß Blut heraus. Erst als man Euch hinein und in Euer Bett gebracht hatte und der ärgste Schneesturm vorüber war, brach ich auf und ich wußte, daß ich nun, da es nur noch eine Stunde bis zum Anbruch der Dämmerung war, keinen Verfolger zu befürchten hatte. Und während ich mich vor Euch versteckte, habt Ihr sie umgebracht!« stieß sie hervor. Ihre Augen brannten wie die Flammen eines Dornenfeuers. »Auf dem Rückweg von einer ergebnislosen Jagd fandet Ihr eine einsame Frau und habt Euch an ihr schadlos gehalten für das, was ich Euch getan hatte und für das, was Ihr mit mir nicht tun konntet. Wir beide haben sie getötet!« schluchzte Ermina. »Ihr und ich - wir beide!
    Ich bin ebenso schuldig wie Ihr!«
    »Was sagst du da?« Er hatte wieder Mut gefaßt und etwas Selbstsicherheit gewonnen. Wenn sie ihn angeschrien hätte, würde er beruhigend, besorgt auf sie eingeredet haben, aber auch in ihrer mit kalter Gewißheit vorgebrachten Anklage fand er einen Ansatzpunkt zu seiner Verteidigung. »Natürlich bin ich dir nachgeritten - ich konnte dich ja nicht da draußen erfrieren lassen. Weil meine Wunde mich so geschwächt hatte, bin ich vom Pferd gefallen und dabei brach sie wieder auf und blutete, das stimmt. Aber alles andere? Die ganze Nacht, so lange ich konnte, habe ich nach dir gesucht und nirgendwo habe ich angehalten. Willst du mir nun vorwerfen, daß ich blutend und mit leeren Händen zurückkehrte, ich weiß nichts von dieser Frau, von der du sprichst...«
    »Nichts?« sagte Cadfael neben ihm. »Nichts von einer Schafshütte am Weg, den Ihr genommen haben müßt, von der Straße nach Ludlow zurück nach Ledwyche? Ich kenne sie, ich bin den Weg in umgekehrter Richtung geritten. Und Ihr wißt nichts von einer jungen Nonne, die dort, zugedeckt mit dem Umhang eines braven Mannes, schlafend im Heu lag? Nichts von einem zufrierenden Bach, der Euch danach, auf dem Heimweg, wie gerufen kam? Es war kein Sturz vom Pferd, der Eure Wunde wieder aufbrechen ließ, sondern ihr verbissener Kampf um ihre Ehre in jener kalten Nacht, als Ihr glaubtet, Eure Wut und Lust an ihr austoben zu können, da eine andere, Eurem Ehrgeiz angemessenere Frau, Euch entkommen war.
    Und nichts von den Reisemänteln und der Kutte, die unter dem Heu verborgen waren, damit die Schuld an dieser Untat denen gegeben würde, die all die anderen himmelschreienden Verbrechen verübt haben? Alle anderen außer diesem?«
    Im bleichen, kalten Licht erschien alles wie aus Stein gehauen, die Scharten wichen zurück und ließen alles überdeutlich hervortreten. Es war erst kurz nach Mittag und draußen schien die Sonne. Hier in der Kirche war es kalt und fahl. Wie eine Statue stand Ermina da und sah die drei Männer vor sich schweigend an. Sie hatte getan, was sie tun mußte.
    »Das ist Unsinn«, sagte Boterei mühsam, als habe er mit einem großen Gewicht zu kämpfen. »Als ich ausritt, trug ich einen Verband über der Wunde, die ich beim Angriff auf Callowleas erhielt und als ich zurückkam, war er durchgeblutet.
    Was ist dabei? Eine kalte Nacht mit Schneesturm und ich fiel vom Pferd. Aber diese Frau, diese Nonne, die Schafhütte - davon weiß ich nichts. Ich bin nie dort gewesen, ich weiß nicht einmal, wo sie ist...«
    »Aber ich bin dort gewesen«, sagte Bruder Cadfael, »und habe im Schnee Pferdedung gefunden. Ein großes Pferd war dort angebunden, denn im rauhen Holz unter den Dachbalken hatten sich einige Haare seiner Mähne verfangen. Hier sind sie!« In seiner Hand hielt er die helle Strähne des Pferdehaars.
    »Soll ich sie mit denen Eures Wallachs da draußen vergleichen? Sollen wir Euch auf Schwester Hilarias Gewand legen und nachsehen, ob Eure Wunde sich auf der Höhe ihrer blutbefleckten Schulter befindet? Sie hat nicht geblutet, wohl aber Eure Wunde. Ich habe sie ja
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher