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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis
Autoren: Ellis Peters
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Osten und Norden hört man besorgniserregende Gerüchte, und dann sind da noch diese Unruhen im Grenzgebiet. Wenn der König im Süden zu beschäftigt ist, wenn er sich Sorgen macht, woher er den nächsten Sold für seine Flamen nehmen soll, und seine Energie hauptsächlich darauf verschwendet, von einem Ort zum nächsten zu hasten, dann versuchen ehrgeizige Männer in entlegeneren Teilen des Landes, ihre Herrschaft auszuweiten und eigene Königreiche zu gründen. Und die unteren Adelsränge folgen diesem Beispiel.«
    »In einem Land, das mit sich selbst im Kriege liegt, ist es fast unausweichlich, daß die festgefügte Ordnung dahinschwindet und ungezügelte Wildheit sich Bahn bricht«, pflichtete Cadfael ihm düster bei.
    »Aber nicht hier«, erwiderte Beringar grimmig. »Prestcote führt ein hartes Regiment, und was meine Pflichten betrifft, so bin ich entschlossen, dasselbe zu tun.« Gilbert Prescote, König Stephens Sheriff in Shropshire, hatte nämlich vor, das Weihnachtsfest auf dem Hauptlandsitz seines Lehens, im Norden der Grafschaft, zu verbringen und die befestigte Garnison und die Sorge um die Einhaltung der Gesetze in der südlichen Hälfte der Grafschaft würde in den Händen Hugh Beringars liegen. Dieser Überfall auf Worcester war vielleicht nur ein Vorgeschmack auf weitere Angriffe dieser Art. Alle Städte entlang der Grenze waren gefährdet, und zwar nicht nur durch die Unternehmungen des Feindes, sondern auch durch die schwankende Gefolgstreue ihrer Schloßvögte und Burgherren. In diesem leidgeprüften Land hatte schon mehr als ein Baron seine Gefolgschaft aufgekündigt und auf einen anderen übertragen und mehr als einer würde das auch künftig tun, einige vielleicht schon zum zweiten oder dritten Mal.
    Kirchliche Würdenträger, Barone und andere begannen, zunächst auf ihre eigenen Interessen zu achten und dem zu folgen, der den größten Gewinn versprach. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis einige zu dem Schluß kamen, daß ihre Interessen sich am besten wahrnehmen ließen, wenn sie allen beiden Beanspruchern des Thrones Hohn lachten und ihre Angelegenheiten auf eigene Rechnung regelten.
    »Man hört, Euer Kastellan in Ludlow sei nicht besonders zuverlässig«, bemerkte Cadfael. »Zwar hat König Stephen ihm Lacy zum Lehen gegeben und ihm die Burg von Ludlow anvertraut, aber es geht das Gerücht, er schiele nach der Kaiserin. Dem Vernehmen nach war er drauf und dran, zu ihr überzulaufen - nur daß der König in der Nähe war und ein wachsames Auge auf ihn hatte.«
    Alles, was Cadfael gehört hatte, war Hugh Beringar schon längst bekannt. Es gab keinen Sheriff im Land, der in diesen Zeiten nicht alle seine Informanten in Alarmbereitschaft versetzt und auf die kleinsten Anzeichen von Unruhe geachtet hätte.
    Sollte Josce de Dinan in Ludlow tatsächlich seinen Abfall geplant und es sich dann doch noch anders überlegt haben, so war Hugh mit seiner gegenwärtigen Festigkeit, wenn auch mit Vorbehalten, durchaus zufrieden, behielt ihn aber doch im Auge. Mißtrauen war, das war traurig genug, nur eines der kleineren Übel des Bürgerkrieges, und es war gut zu wissen, daß es zwischen erprobten Freunden noch absolutes Vertrauen geben konnte. Keiner konnte in diesen Zeiten wissen, ob er nicht plötzlich einen standhaften und treuen Gefährten brauchte, der ihm den Rücken deckte.
    »Nun ja, wenn König Stephen mit einer Armee auf dem Weg nach Worcester ist, wird niemand auch nur einen Finger zum Verrat rühren, bevor er wieder abgezogen ist. Und dennoch halte ich immer Augen und Ohren offen.«
    Hugh erhob sich von der Bank an der Wand von Cadfaels Schuppen, in dem er für eine kleine Weile Ruhe vor den weltlichen Geschäften dort draußen gefunden hatte. »Ich gehe jetzt nach Hause und werde mich zur Abwechslung einmal in mein eigenes Bett legen - aus dem meiner Frau hat mich meine eigene freche Nachkommenschaft vertrieben. Aber was weiß ein hingebungsvoller Klosterbruder wie Ihr schon von den Leiden eines Vaters?«
    »Nur zu wahr! Das habt ihr euch selbst aufgeladen«, bemerkte Cadfael, »ihr verheirateten Männer. Ich werde zur Komplet ein Gebet für Euch sprechen.«
    Zunächst jedoch ging er ins Krankenquartier, um mit Bruder Edmund ein oder zwei Patienten zu versorgen, die sich von den Mühsalen der Flucht nur langsam erholten, und um eine schlecht heilende Messerwunde neu zu verbinden. Dann erst begab er sich zur Komplet und betete für viele andere Menschen, nicht nur für seinen
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