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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis
Autoren: Ellis Peters
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so zarten Alter...«
    Zögernd fragte Bruder Edmund: »Soll das heißen, daß sie Worcester allein verlassen haben?« Er hatte nicht beabsichtigt, seine Frage anklagend oder ungläubig klingen zu lassen, aber Bruder Herward senkte demütig den Kopf angesichts des Vorwurfs, der darin mitschwang.
    »Ich will weder mich noch irgendeinen meines Hauses rechtfertigen. Jedoch war der Verlauf nicht ganz so, wie ihr vielleicht annehmt. Der Angriff erfolgte am frühen Morgen, aber im Süden der Stadt wurde er zurückgeschlagen, und wir erfuhren nicht, wie heftig er war und wie starke Truppen der Feind besaß, bis er schließlich die Stadt umging und im Norden einbrach. Nun verhielt es sich so, daß Yves gerade seine Schwester besuchte und sie völlig von uns abgeschnitten waren. Lady Ermina ist, wenn ich das so sagen darf, eine eher eigenwillige junge Frau. Die Schwestern hielten es für das Beste, sich in ihrer Kirche zu versammeln und dort die Sache abzuwarten, im Vertrauen darauf, daß diese Marodeure - ihr müßt wissen, daß viele von ihnen schon betrunken und daher völlig zügellos waren - ihre Klostertracht achten und ihnen außer dem Diebstahl der wertvollsten Dinge nichts Böses antun würden. Die Schwestern also meinten, der Glaube befehle ihnen zu bleiben, aber Lady Ermina dachte anders und wollte heimlich die Stadt verlassen, wie so viele andere, und zu einem weit entfernten und sicheren Ort fliehen. Und da sie sich davon nicht abbringen ließ und ihr Bruder bei ihr war, erklärte sich eine junge Nonne, ihre Lehrerin, bereit, mit ihnen zu gehen und sie in Sicherheit zu bringen. Als die Plünderer abgezogen waren und wir die Feuer gelöscht und uns um die Toten und Verwundeten gekümmert hatten, da erst hörten wir, daß sie aus der Stadt geflohen seien und nach Shrewsbury gehen wollten.
    Sie waren gut ausgerüstet, wenn auch ohne Pferde, denn die wurden ausnahmslos beschlagnahmt. Das Mädchen hatte ihren Schmuck und Geld und war verständig genug, es unterwegs niemanden sehen zu lassen. Und - so leid es mir tut, das zu sagen - es war gut, daß sie geflohen sind, denn diese Männer aus Gloucester achteten die Schwestern nicht, wie diese es erhofft und geglaubt hatten, sondern plünderten und brandschatzten, raubten die jüngsten und hübschesten Novizinnen und mißhandelten die Priorin, die sie daran hindern wollte, auf das Übelste. Das Mädchen hat gut daran getan zu fliehen, und ich bete, daß sie und ihr Bruder, und mit ihnen Schwester Hilaria, sich in diesem Augenblick an einem sicheren Zufluchtsort befinden. Indes... ich weiß nichts Gewisses.«
    Bruder Denis, der sich um die Unterbringung kümmerte und jeden kannte, der sich im Kloster befand, sagte bedauernd:
    »Ich muß euch leider sagen, daß sie ganz sicher nicht hier sind.
    Es ist niemand hier eingetroffen, auf den Eure Beschreibung paßt. Aber kommt mit mir und sprecht mit allen Flüchtlingen, die wir noch im Gästesaal beherbergen und den wenigen, die im Krankenquartier liegen - vielleicht können sie Euch weiterhelfen. Denn natürlich wußten wir bisher nichts von diesen jungen Leuten und haben darum auch nicht nach ihnen gefragt.«
    »Andererseits könnte es sein«, warf Bruder Matthew, der Kellermeister, ein, »daß sie einen Verwandten, einen Pächter oder einen ehemaligen Diener hier in der Stadt haben und daher nicht zu uns gekommen sind, sondern sich jetzt innerhalb der Mauern befinden.«
    »Das ist möglich«, stimmte Herward zu, und seine Miene hellte sich ein wenig auf. »Aber dennoch glaube ich, daß Schwester Hilaria sie lieber hierher gebracht hätte, wo unser eigener Orden für ihre Sicherheit einsteht.«
    »Wenn uns hier niemand weiterhelfen kann«, sagte der Abt energisch, »dann müssen wir als nächstes auf jeden Fall mit dem Sheriff sprechen. Er wird wissen, wer in der Stadt eingetroffen ist. Ihr habt erwähnt, Bruder, daß der Onkel der jungen Leute erst kürzlich aus Palästina zurückgekehrt ist.
    Gewiß hat er die Möglichkeit, sich an die hiesigen Behörden zu wenden. Wie kommt es, daß er die Nachforschungen nicht persönlich anstellt? Er kann doch nicht Euch die ganze Verantwortung zuschieben!«
    Bruder Herward tat einen tiefen Seufzer, der seinen schmächtigen Körper erst aufrichtete, dann aber wieder mutlos in sich zusammensinken ließ. »Ihr Onkel ist ein Ritter von Anjou - er ist mit den Kindern durch seine Schwester verwandt - und heißt Laurence d'Angers. Er ist erst kürzlich vom Kreuzzug zurückgekehrt, aber nach
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