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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis
Autoren: Ellis Peters
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seinen Fuß in das Land setzt, das ich für den König verwalte.«
    Seine Miene und seine Stimme ließen erkennen, daß er zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit war, und nun mußten sie das Beste daraus machen.
    »Vermutlich würde es helfen«, schlug Radulfus mit sanfter Stimme vor, »wenn Bruder Herward Euch eine Beschreibung der drei gesuchten Personen geben würde. Obgleich ich nicht weiß, wie gut er das Mädchen oder ihre Lehrerin, die Nonne, kennt...«
    »Sie haben den Jungen mehrmals besucht«, sagte Herward.
    »Ich kann sie alle drei beschreiben. Nach diesen Personen sollen Eure Offiziere suchen: Yves Hugonin, dreizehn Jahre alt und Erbe eines nicht unbeträchtlichen Anteils am Nachlaß seines Vaters, ist für sein Alter nicht sehr groß, hat aber eine stämmige Statur und eine aufrechte Körperhaltung. Er hat ein rundes, rosiges Gesicht, sein Haar und seine Augen sind dunkelbraun. Ich sah ihn zuletzt an dem Morgen als der Angriff begann, und da trug er ein hellblaues Wams, einen Umhang mit Kapuze in derselben Farbe und eine graue Hose. Was die Frauen angeht - Schwester Hilaria ist am besten an ihrer Ordenstracht zu erkennen - aber ich sollte wohl hinzufügen, daß sie jung ist, nicht älter als fünfundzwanzig. Sie ist eine hübsche, zierliche Frau mit graziösen Bewegungen. Das Mädchen Ermina...« Bruder Herward hielt inne und starrte über die Schulter des Sheriffs hinweg als wolle er ein Bild beschwören, das sich ihm nur selten geboten, dafür aber um so deutlicher eingeprägt hatte. »Sie wird in Kürze achtzehn sein, den genauen Tag weiß ich allerdings nicht. Sie ist dunkler als ihr Bruder, Augen und Haare sind fast schwarz, außerdem ist sie hochgewachsen und energisch... Man sagt, sie besitze Verstand, eine schnelle Auffassungsgabe und einen starken Willen.«
    Das war kaum eine eingehende Beschreibung ihres Äußeren, und doch zeichneten Herwards Worte ein Bild von überraschender Klarheit. Und dies um so mehr, als er seine Schilderung mit den fast geistesabwesend, wie zu sich selbst gesprochenen Worten beendete: »Man kann mit Fug und Recht behaupten, sie sei außerordentlich schön.«
    Bruder Cadfael hörte durch Hugh Beringar davon, nachdem die Kuriere zu den Burgen und Landgütern geritten waren und die Nachricht in den Dörfern verbreitet hatten, wo sie öffentlich ausgeschrieen werden sollte. Was Prescote versprochen hatte, das hielt er wortgetreu ein, bevor er sich in den Frieden seines eigenen Landgutes zurückzog, um Weihnachten mit seiner Familie zu feiern. Schon allein die Tatsache, daß der Sheriff ein Interesse an den gesuchten Geschwistern zeigte, würde ein Schutz für sie sein, sollte irgend jemand in dieser Grafschaft ihnen begegnen. Inzwischen war Herward mit einem Geleit bewaffneter Männer nach Worcester zurückgekehrt. Seine Mission war nur teilweise erfolgreich gewesen.
    »Außerordentlich schön!« wiederholte Hugh und lächelte. Es war jedoch ein besorgtes und trauriges Lächeln. Ein solch willensstarkes, hübsches und mutiges Mädchen, das jetzt, bei Einbruch des Winters, in einem Land herumirrte, in dem kriegerische Auseinandersetzungen drohten, konnte nur zu leicht zu Schaden kommen.
    »Auch ein Unterprior«, sagte Cadfael nachsichtig und rührte in dem blubbernden Hustensaft, den er über der Feuerstelle in seinem Schuppen kochte, »hat Augen. Aber bei ihrer Jugend wäre sie selbst dann in Gefahr, wenn sie häßlich wäre. Nun ja, ebensogut mag sie jetzt gerade in einem warmen, sicheren Zufluchtsort sitzen. Wie schade, daß ihr Onkel auf der anderen Seite steht und keine Erlaubnis bekommen kann, sie selber zu suchen.«
    »Und gerade erst aus Jerusalem zurück«, warf Hugh nachdenklich ein. »Was in Worcester geschehen ist, kann man ihm beim besten Willen nicht vorwerfen. Er ist wohl erst zu kurz im Ritterdienst, um Euch bekannt zu sein?«
    »Das ist eine andere Generation, mein Freund. Es ist sechsundzwanzig Jahre her, daß ich dem Heiligen Land den Rücken gekehrt habe.« Cadfael nahm den Kessel von der Feuerstelle und stellte ihn auf den gestampften Lehmboden, um ihn über Nacht langsam abkühlen zu lassen. Vorsichtig richtete er sich auf. Bis sechzig hatte er es nicht mehr weit, auch wenn man ihn für ein Dutzend Jahre jünger hielt. »Inzwischen wird dort alles anders geworden sein. Der Glanz verblaßt schnell. In welchem Hafen sagt Ihr, hat er sich eingeschifft?«
    »Laut Herward in Tripoli. Ich nehme an, daß Ihr diese Stadt in Eurer stürmischen Jugend recht
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