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0824 - Don Jaime, der Vampir

0824 - Don Jaime, der Vampir

Titel: 0824 - Don Jaime, der Vampir
Autoren: W.K. Giesa
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Natürlich war er verrückt. Unsterblichkeit - das gab es nur im übertragenen Sinne. Die großen Dichter und Maler waren unsterblich, durch ihre Werke. Oder der Sonnenkönig, Napoleon und Asterix. Aber doch nicht Männer im schon recht gesetzten Alter, die sich in Discotheken herumtrieben und hinter allem her waren, was weiblich, jung und nicht schnell genug auf dem nächsten Baum war.
    »Ich kann auch dich unsterblich machen«, sagte er. »Du musst es nur wollen.«
    »Warum sollte ich?« Langsam aber sicher machte er sich lächerlich. Sie selbst war gerade mal Mitte 20 und für jeden Spaß zu haben - sofern der Typ, der ihr diesen Spaß bereiten sollte, nicht wesentlich älter war als sie. Jaime indessen akzeptierte sie nur als Tanzpartner, nicht mehr. Er war einfühlsam und temperamentvoll zugleich, womit sie bei seinem gruftigen Aussehen zunächst gar nicht gerechnet hatte.
    Aber mehr als Tanzen war nicht drin.
    Kein Küssen, kein Schmusen, und vor allem kein blödes Herumlabem. Das hätte sie eher von einem 16-Jährigen erwartet, der eine neue Masche erprobte. Aber doch nicht von Opa Jaime.
    »Wenn man unendlich alt wird und dabei jung bleibt, kann man sehr viel mehr erleben als jeder andere«, behauptete er. »Vorausgesetzt, man findet immer was zu beißen.«
    »Verhungert siehst du ja nicht gerade aus«, stellte sie fest. »Maßanzug, Seidenhemd, Zuhälter-Halskettchen, Rolex, Lackschuhe, Pomade im Haar -vermutlich hast du einen Rolls-Royce oder Maybach draußen auf dem Parkplatz stehen.«
    »Einen Porsche«, erwiderte er. »Für uns zwei reicht er doch völlig aus.«
    »Vergiss es«, wehrte sie ab. »Ich stehe nicht auf Porsche. Ferrari ist das Minimum. Bugatti wäre besser.« Sie wandte sich ab und sah über die Tanzfläche, auf der Suche nach einem Jungen, der sie vor diesem alten Vogel retten konnte.
    Lichteffekte wirbelten durch den Saal. Die Musik dröhnte. Um mit ihr zu reden, hatte Jaime das Tanzen unterbrochen, Drinks geordert und Charlotte in einen schallgedämpften Winkel gezogen, wo man nicht laut schreien musste, um sich zu verständigen.
    Dabei war ihr doch gar nicht nach Reden! Sie wollte was erleben! Sie wollte sich heiß tanzen; das hatte sie zumindest teilweise geschafft. Und sie wollte ihre Hitze dann von einem netten Jungen abkühlen lassen Von einem, der sich Zeit nahm, ehe er ihr an den Slip ging. Natürlich sollte er das auch tun; vorsichtshalber hatte sie eine Packung Kondome in der Gesäßtasche ihrer engen Jeans. Normalerweise führte sie derlei-Verkehrssicherungsmaßnahmen in der Handtasche mit sich, aber Discothek und Handtasche vertrugen sich ihrer Ansicht nach nicht so gut, also war das gute Stück zu Hause geblieben. Jeans hatten Taschen, und in die passte so was gut rein, nebst Geldbörse und Lippenstift. Die Geldkatze war zusätzlich mit einer Silberkette am Gürtel befestigt; wer sie ihr klauen wollte, schaffte das nicht so schnell, wie er wollte, und außerdem spürte sie das Zupfen ja auch in dem engen Stoff.
    Gerade sah sie einen süßen Schwarzhaarigen, der sich wohl eben von seiner Freundin trennte. Nicht unbedingt in gegenseitigem Einvernehmen.
    Beute!
    Sie drückte Jaime ihr leeres Longdrink-Glas in die Hand, trug ihm auf, hurtig Nachschub zu organisieren, und strebte dem jagdbaren Wild entgegen, das jetzt etwas verdattert mitten auf der Tanzfläche stand und seiner Freundin nachsah, die mit wiederum ihrer Freundin davoneilte. Noch ehe der beiden folgen konnte, schnappte Charlotte seine halb erhobene Hand.
    »He, das ist gerade mein Lied«, stieß sie hervor. »Und das wird unser Tanz!«
    »Och nö«, seufzte er. »Verzupf dich!« Er entwand sich ihrem Griff und nahm die Verfolgung auf.
    Charlotte verdrehte die Augen. Der Süße wusste doch gar nicht, was ihm entging. Na ja, wenn er auf Frustsuche war - Reisende soll man nicht aufhalten, heißt das Sprichwort.
    Jaime schien das anders zu sehen. Er war schon wieder neben ihr. »Was willst du denn mit dem Kind anfangen? Der Schwarzkopf hat garantiert keinen Ferrari oder Bugatti.«
    Himmel, wurde sie den alten Knaben denn überhaupt nicht mehr los?
    »Hab keinen Bock mehr«, sagte sie. »Duzahlst, ja? Au revoir, mon ami!« Sie drängte sich durch die Tanzenden.
    »Sehen wir uns wieder?«, rief er ihr nach.
    »Klar! Ich ruf’ dich an!«
    Schon war sie am Ausgang. Er grübelte wohl noch, weshalb er ihre Telefonnummer nicht hatte. Als er ihr folgte, um die einzufordern, war sie schon draußen.
    Natürlich - wenn man ein Taxi
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