Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Autoren: John Lanchester
Vom Netzwerk:
Einleitung
    Der Stadtneurotiker hat viele wunderbare Momente, aber in meiner Lieblingsszene taucht zum ersten und einzigen Mal Annies jüngerer Bruder Duane Hall auf, gespielt von Christopher Walken, der mit diesem Film seine lange, glanzvolle Karriere als Darsteller besonders seltsamer Charaktere begann. Während eines Besuchs auf dem Familiensitz der Halls trifft Alvy Singer – alias Woody Allen – auf Duane, der ihm völlig unvermittelt folgende Fantasie erzählt: »Manchmal, wenn ich nachts … auf der Straße fahre … sehe ich, wie zwei Scheinwerfer – sehr schnell – auf mich zukommen. Dann habe ich diesen plötzlichen Drang, das Steuer herumzureißen und frontal in chmdas entgegenkommende Auto zu rasen. Ich kann die Explosion förmlich spüren. Das Geräusch von zersplitterndem Glas. Die … Flammen, die aus dem herausquellenden Benzin aufsteigen.« Aber erst Alvys Antwort macht die Szene so wunderbar: »Ah ja. Nun, ich muss jetzt – ich muss jetzt gehen, Duane, weil man mich auf dem Planeten Erde zurückerwartet.«
    Diesen Drang, ein Auto in die entgegenkommenden Scheinwerfer zu lenken, habe ich nie geteilt. Aber ich muss zugeben, dass mir hin und wieder ein Gedanke durch den Kopf geht, der gar nicht so weit davon entfernt ist. Das geschieht nie, wenn ich in der Stadt bin oder viel Verkehr herrscht oder wenn sich außer mir noch jemand im Auto befindet. Brause ich aber mutterseelenallein auf der leeren Landstraße dahin, höre Radio und sind keinerlei Hindernisse in Sicht, was bei dem heutigen Verkehr selten genug geschieht, dann huscht mir gelegentlich ein ganz flüchtiger Gedanke durch den Kopf, den ich bisher nie in die Tat umgesetzt habe und hoffentlich auch nie umsetzen werde: Was würde wohl geschehen, wenn ich in diesem Augenblick den Rückwärtsgang einlege?
    Wenn man diese Frage einem Autonarren stellt,ist seineerste Reaktion, einen vollkommen irritiert anzustarren. Und als Nächstes schaut er noch irritierter. Dann erklärt er, dass in einem solchen Fall der Motor des Autos praktisch explodieren würde: Teile würden sich gegenseitig zersprengen, Stangen durch die Luft fliegen, der Vergaser in tausend Stücke zerbersten, es gäbe einen fürchterlichen Krach und Gestank und Qualm und man käme von der Straße ab, würde sich schwer verletzen und mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben. Diese Erklärung überzeugt mich dermaßen, dass mir der Gedanke, den Rückwärtsgang einzulegen, immer nur blitzartig durch den Kopf zuckt, ungefähr eine halbe Sekunde lang, etwa alle zwei oder drei Jahre. Und ich bin mir sicher, dass ich es niemals tun werde.
    Während der ersten drei Jahre des neuen Jahrtausends sauste der gesamte Planet fröhlich durch die Gegend, mit einer Geschwindigkeit, die ungefähr 120 Stundenkilometern auf freier Straße bei herrlichem Wetter entspräche. In den Jahren zwischen 2000 und 2006 war die Weltöffentlichkeit mit Gesprächsthemen wie der Wahl George W. Bushs, den grauenhaften Terroranschlägen vom 11. September 2001, dem »globalen Krieg gegen den Terror« und den Konflikten in Afghanistan und im Irak beschäftigt. Aber während all dies geschah, fand gleichzeitig noch etwas vollkommen anderes statt, etwas sehr Folgenschweres, das zwar nicht völlig unbeachtet blieb, aber erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erregte: Das Gesamtvermögen der Welt verdoppelte sich nahezu. Im Jahr 2000 betrug das gesamte BIP der Erde – die Summe der weltweiten Wirtschaftsleistungen – 36 Billionen Dollar. 1 Ende 2006 belief es sich auf 70 Billionen.
    In den Industrieländern erregte das Platzen der Internetblaseim März 2000 so große Aufmerksamkeit – die »größte Kapitalvernichtung der Weltgeschichte«, wie man es damals nannte –, dass niemandem auffiel, wie schnell die westlichen Volkswirtschaften sich wieder gefangen hatten. Der Aktienmarkt entwickelte sich danach zwar relativ stockend, aus Gründen, die ich in der Folge noch erläutern werde, aber andere Bereiche der Wirtschaft florierten. Das Gleiche galt für den Rest der Welt. Im Jahr 1999 wies ein Leitartikel des Economist darauf hin, dass der Ölpreis nunmehr auf 10 Dollar pro Barrel gesunken war, und warnte feierlich: Womöglich würde es dabei nicht bleiben, denn es gab gute Gründe anzunehmen, dass er sogar auf 5 Dollar pro Barrel sinken würde. Haha!
    Im Juli 2008 war der Erdölpreis auf 147,70 Dollar gestiegen und folglich wurden die Ölförderländer mit Geld nur so überschwemmt. Von der arabiscnde der arhen Welt über
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher