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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg
Autoren: Horst Hoffmann
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1.
    Gorm leckte sich mit der langen, gelben Zunge das Blut aus dem Fell, das Trok ihm beim Streit um die Beute in ganzen Büscheln ausgerissen hatte. Gorms einziger Trost war, daß seine Krallen den anderen auch nicht verschont hatten.
    Er hockte vor dem Eingang der Höhle, die sie sich kurz nach dem Wiedergewinn ihrer Freiheit erobert hatten.
    Gorm zog angewidert seine Fühler ein, denn die Reste des Sechsbeinhirschs stanken fürchterlich. Trok heulte in der Höhle, weil ihm übel war. Er hatte die schlechtesten Teile des Wildes erwischt und bezahlte jetzt für seine Gier.
    Gorm aber war fast noch hungriger als vor dem Mahl.
    Er richtete sich leise auf und schlich bis zu einer Ecke, von wo aus er Trok sehen konnte. Wie Gorm, war Trok ein Zacide, aber wer ihnen zum erstenmal begegnet wäre, hätte sie nicht für Angehörige desselben Volkes gehalten. Zaciden waren Mischwesen, gingen aufrecht auf zwei muskulösen Beinen und besaßen lange, buschige Schwänze. Die dünnen Arme reichten bis zu den Knien herab. Der Kopf war wie der einer Raubkatze und im Verhältnis zum Körper ungewöhnlich klein. Hände und Zehen besaßen messerscharfe Krallen, und das Fell war meistens honiggelb und braun gescheckt. Über den schrägstehenden Augen saßen die beiden einziehbaren Fühler, mit denen ein Wittern auch auf große Entfernungen möglich war.
    Damit hörten die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf.
    Troks Fell war gelb und schwarz gestreift. An den Schultern und Beingelenken wuchsen ihm lange Stacheln aus dem Fleisch, und am Ende des Schwanzes hatte er eine kopfgroße Knolle mit Widerhaken. Beim Kämpfen benutzte er sie wie einen Morgenstern.
    Gorm dagegen verfügte über zwei zusätzliche, noch dünnere Arme, die er wie Fangleinen um ein Opfer schlingen konnte. So betrachtet, waren sie beide gleich wehrhaft, und das mochte der Grund dafür sein, daß sie sich noch nicht gegenseitig umgebracht hatten.
    Nicht nur! dachte Gorm, als er den anderen winselnd von einer Seite auf die andere rollen sah. Eines Tages finden wir einen Aegyr, auch wenn es so aussieht, als seien sie alle von dieser Welt verschwunden. Und dann rächen wir uns! Einer allein mag ihrer Magie unterlegen sein, doch zu zweit sind wir stärker!
    Doch das hatte Zeit. Gorm konnte warten. Er hatte lange genug in seiner Gefangenschaft gelitten, um das Warten zu lernen.
    Sein Hunger war jetzt viel schlimmer als der Haß auf die Aegyr. Er sah, daß Trok damit beschäftigt war, die verdorbenen Innereien des Sechsbeiners auszuwürgen, und machte sich wieder davon.
    Die Höhle befand sich am Hang eines spärlich bewachsenen Hügels, an dessen Fuß sich der Wald ausbreitete. In der Düsternis, die dieses Land überzog, war die Sicht beschränkt. Aber was brauchte Gorm die Sicht, wenn seine Fühler ihm viel besser mitzuteilen vermochten, wo sich Tiere aufhielten?
    Er fuhr sie aus, und sofort hatte er mehrere Witterungen. Dieses Land wimmelte von Geschöpfen aller Art, denn hier hatte sich das Füllhorn der Vailita entladen, aus dem auch die beiden Zaciden ausgespien worden waren. Hierher hatten sich alle die von ihm gefangenen Greuelwesen ergossen, und eine breite Schneise voller Schrecken war entstanden.
    Dort unten, zur Rechten, streiften Stachelkopf schlangen umher. Etwas weiter entfernt brach ein dreibeiniger Titan durch das Unterholz. Doppelmaulwölfe sammelten sich zu Rudeln, und ein Schleimrochen lauerte unter dem Bodenmoos auf Beute.
    Gorm hatte dafür nur ein Lachen übrig. Seine Fühler verrieten ihm ein Sechsbeinhirschnest nach dem anderen. Eines davon befand sich in einem Teil des Waldes, in dem keine Gefahr lauerte, mit der er nicht leicht fertig werden könnte.
    Gorm brauchte keine Waffen mitzunehmen, sein Körper war Waffe genug. Der Pfad den Hügel hinunter war durch Schlinggewächse abgesichert, die sich seinem Willen zu beugen hatten. Er vergewisserte sich noch einmal, daß Trok außer Gefecht war, und drang in den Wald ein.
    Seine Fühler waren zwei Handbreit weit ausgefahren und drehten sich in alle Richtungen. Trotz allem mußte er vorsichtig sein, denn einige der aus dem Füllhorn Geströmten besaßen die unverschämte Eigenschaft, sich geruchlos machen zu können. Es waren jene Diglatoren, die bei Gefahr blitzschnell eine Flüssigkeit absonderten, die ihren ganzen häßlichen Leib umfloß. Normalerweise geschah das so langsam, daß Gorm sie lange vorher wittern konnte. Einmal jedoch war es auch vorgekommen, daß ein Diglatore urplötzlich vor Trok
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