Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst
Autoren: Carla Norton
Vom Netzwerk:
Prolog
    Seattle, Washington
    Sechs Jahre zuvor
    I hr Name war schon so lange aus den Schlagzeilen, dass niemand mehr nach ihr Ausschau halten würde. Zuversichtlich steckte er daher zum letzten Mal den Schlüssel ins Schloss. Die Tür schwang weit auf, aber er sah keine Notwendigkeit, sie zu sichern. Die Stufen ächzten unter seinem Gewicht, als er in den Keller hinabstieg und ihr befahl, aufzustehen und sich mit dem Gesicht zur Wand zu drehen.
    Zuerst die Augenbinde. Dann die Handfesseln. Er drehte ihr beide Hände auf den Rücken und drückte die Handschellen zu, bis sie zusammenzuckte.
    Dann beugte er sich zu ihr hinunter, atmete ihren Geruch ein, verharrte an ihrem Hals und bewunderte das Narbenmuster, das ihre Haut überzog. Mit dem Daumen strich er über den gewellten Wulst der frischesten, noch rosafarbenen Narbe, die von ihrem linken Schulterblatt abwärts am Rückgrat entlang zu einer besonders entzückenden Stelle knapp über dem Bund der schwarz-rosa Schlafanzughose reichte.
    »Dreh dich um und mach den Mund auf«, sagte er, und als sie gehorchte, legte er ihr die Tablette auf die Zunge und befahl ihr zu schlucken. Er hatte die Dosis so berechnet, dass sie benommen genug für die Fahrt sein würde, aber nicht derart betäubt, dass er sie nachher nicht mehr wecken konnte, denn er hatte noch etwas mit ihr vor.
    Er legte ihr locker seinen Arm um den Hals, leckte sich die Lippen und flüsterte: »Jetzt machen wir einen kleinen Ausflug, meine kleine Grille. Wag es nicht, auch nur zu zirpen.«
    Ihre alten Turnschuhe waren längst zu klein geworden, aber er hatte nicht daran gedacht, ihr neue zu kaufen, also war sie barfuß, als er sie die Treppe hinaufdirigierte.
    An der Tür hielt er inne und schaltete das Licht aus, bevor er durch die Küche nach hinten ging, wo alles vorbereitet war. Er spähte durch die Fensterläden. Draußen war es still. Das dichte Blattwerk der Bäume in seinem Garten schützte vor den Blicken der Nachbarn. Dass es regnete, war ein zusätzlicher Vorteil.
    Er zog ihr einen Kapuzenponcho über den Kopf, öffnete die Tür und schob sie hinaus. Zusammen bewegten sie sich über die Veranda und die Stufen in den Garten hinab. Die Nässe aus dem Gras durchweichte seine Schuhe, als er sie über den Rasen führte und durch das Tor auf die Straße trat.
    Es war weit nach Mitternacht, und er hatte alles bis ins kleinste Detail geplant, doch dies hier war der riskante Teil. Eine Straßenlaterne erhellte ein nicht zu umgehendes Wegstück. Mit nur drei Schritten waren sie wieder im Schutz der Schatten, nach drei weiteren am Wagen.
    Der silberne Mercury Grand Marquis parkte quer zur Straße. Der Kofferraum war entriegelt. Er öffnete die Klappe, dann hob er ihren kleinen Körper hoch und legte sie hinein. »Bleib liegen und sei still«, murmelte er.
    Er hatte früher am Abend den Kofferraum mit einer alten Decke ausgelegt, um jegliche Geräusche zu dämpfen, aber sie lag darauf auch weicher, und er hatte vor, ihr diesen Akt der Güte vor Augen zu führen, falls sie sich nachher beschwerte.
    Sobald sie im Kofferraum eingesperrt war, zog er die Fahrertür auf und setzte sich ans Lenkrad. In der Dunkelheit saß er da, ließ den Blick über Häuser und Fenster schweifen und achtete auf jede noch so kleine Bewegung.
    Eine Katze jagte über die Straße und verschwand im Unterholz. Ein Windhauch ließ die Blätter über ihm rascheln. Dicke Tropfen platschten auf die Windschutzscheibe. Sonst war nichts zu hören.
    Er wartete noch ein paar Minuten ab, rieb sich den ungepflegten Bart. Schließlich drehte er den Schlüssel in der Zündung, steuerte den Wagen behutsam auf die Straße, schaltete die Scheinwerfer ein und bog nach links ab. Keine Menschenseele war unterwegs, aber es regnete nun stärker, und er achtete penibel auf die Geschwindigkeit und bremste sanft vor jeder Ampel, die Rot zeigte. Endlich bog er auf die Straße ein, die sich durch das Arboretum zog. In jeder Kurve zischten seine Reifen auf dem nassen Asphalt.
    Daryl Wayne Flint lächelte beglückt über die zusätzliche Tarnung durch den Regen. Er war zuversichtlich, dass alles nach Plan verlief.
    Der Umzug, die ganze Packerei hatten ihm Kopfschmerzen bereitet, aber nun war alles geschafft. Bald schon war sie sicher in seinem neuen Heim untergebracht, das außerhalb der Stadt ein gutes Stück von der Straße entfernt lag. Aber es war nicht nur die einsame Lage des Hauses, die das Risiko wert war, sondern auch der große Keller. Sein Boden war plan
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher