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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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positiv bezeichnen möchte, und über die will ich sprechen.
    Unser Stabschef, Oberstleutnant Körner, ist ein Offizier mit großer Erfahrung und reichem Wissen. Aber er ist noch mehr: Er ist so etwas wie ein Künstler des Gefechts. Ich weiß, das klingt verschwommen, aber die Auswirkungen sind sehr konkret: Er erreicht nahezu die Arbeitsgeschwindigkeit des GLE-Gerätes, und da er alle Informationen natürlich eher erhält, wird das Gerät in eine reine Kontrollfunktion gedrängt. Das sieht dann so aus, daß er die optimale Strategie entwickelt und mich anschließend fragt: ›Stimmt’s?‹ Und es stimmt fast immer.«
    »Strategie in einem Regimentsstab?« fragte der Zivilist plötzlich. Es war das erste Wort, das er sagte. Er hatte eine dunkle Stimme mit der etwas weichen, nachlässigen Intonation der Magdeburger Gegend.
    Ich sah den General an, der nickte mir zu, und ich antwortete: »Strategie ist hier im spieltheoretischen Sinn gemeint. Die GLE-Geräte arbeiten mit mathematischen Modellen von Spielen.«
    Der Zivilist lehnte sich zurück. Ich nahm das als Zeichen, daß ihm die kurze Erklärung genügte, und fuhr fort: »Dieser Vorgang, wie ich ihn eben geschildert habe, ist natürlich nicht geeignet, den Ruhm und das Ansehen der Gefechtsleitelektronik zu heben. Ich habe darüber mit dem Genossen Stabschef gesprochen, und diese Unterhaltung brachte mich auf zwei Gedanken. Als Ausgangspunkt gewissermaßen ist wohl eins klar: Wenn das Gerät nicht wesentlich mehr leistet als ein Mensch, dann ist es überflüssig.«
    »Erlauben Sie«, unterbrach der Zivilist wieder, und diesmal glaubte ich, in seinen Augen ein lustiges Funkeln zu sehen. »Sie können doch nicht davon ausgehen, daß überall in allen Einheiten solche begabten Künstler sitzen wie Ihr Stabschef.«
    »Ich muß davon ausgehen, daß das, was heute der Beste erreicht, morgen allgemein zu erreichen ist. Dahin zielt auch meine erste Schlußfolgerung aus dem Gespräch mit unserem Stabschef. Er meinte nämlich, die Arbeit mit dem Gerät sei ihm schon fast unentbehrlich, er empfinde sie als eine Art Wettkampf, der ihn anspornt und trainiert. Nun meine ich: Warum soll man nicht unsere Geräte auch an Offiziersschulen oder Sonderlehrgängen als Trainingsgerät einsetzen, vielleicht anfangs mit regulierbarer Verzögerung – und in der Perspektive vielleicht sogar als Meßgerät für die quantitative Beurteilung der Fähigkeiten in der Gefechtsleitung? Aber wichtiger erscheint mir die zweite Schlußfolgerung.«
    Ich machte eine Pause und sah mir die anderen an. Der General hatte sich zurückgelehnt, hörte zu und ließ, wie es seine Gewohnheit war, keine Regung erkennen, die sein Gegenüber als Wertung hätte auffassen können. Klaus lächelte belustigt, Konni wirkte zerstreut. Dem Gesichtsausdruck des fremden Zivilisten konnte ich, da ich ihn nicht kannte, außer Aufmerksamkeit nichts entnehmen.
    »Der Genosse Stabschef und ich«, fuhr ich fort, »haben uns über die Ursachen unterhalten, warum er fast das gleiche leistet wie das Gerät. Die Ursachen liegen in den unterschiedlichen Arbeitsweisen des menschlichen Gehirns und des Geräts. Die GLE arbeitet im Prinzip determiniert, das Gehirn kombiniert determinierte und stochastische Arbeitsweise mit Lernfähigkeit…«
    »Aha«, entfuhr es dem Zivilisten, »können Sie das näher erklären?«
    Ich sah den General erstaunt an, aber er nickte mir zu. Also mußte ich auf diese Selbstverständlichkeiten eingehen. Auch die anderen blickten überrascht, denn wenn dieser Zivilist nicht einmal von den einfachsten Dingen unserer Arbeit eine Ahnung hatte, was wollte er dann hier?
    Ich nahm mir vor, mich nicht von meinem Kurs abbringen zu lassen, und suchte nach einem passenden Vergleich, mit dem ich diese Erläuterung schnell hinter mich bringen konnte. Ich gebe zu, das war nicht besonders entgegenkommend; aber die Strafe folgte sozusagen auf dem Fuße: Noch am selben Tage und dann die ganze folgende Zeit sollte ich mich gegenüber anderen in der gleichen Lage befinden. In der Lage des fragenden Laien.
    »Deterministisch ist ein Prozeß«, erklärte ich, »dessen Ergebnis bei der Einhaltung aller Bedingungen hundertprozentig feststeht. Stochastisch ist ein Prozeß, der verschiedene Ergebnisse haben kann, wobei aber für jedes mögliche Ergebnis eine exakte Wahrscheinlichkeit besteht. Das ist freilich sehr allgemein. Wenn ich das Problem, wie es sich für uns darstellt, an einem Beispiel erläutern soll, muß ich sehr
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