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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Die Niederschrift, mit der ich das neue Jahrtausend begrüße und der ich nun dieses Geleitwort voranstelle, behandelt Ereignisse, die sich in den neunziger Jahren abgespielt haben und an denen ich unmittelbar beteiligt gewesen bin. Erst jetzt, ein knappes Jahrfünft später, bin ich von meiner Schweigepflicht entbunden worden und darf sie nun aus dem Gedächtnis rekonstruieren. Ich habe zwar dafür keine Aufzeichnungen zur Verfügung, die konnte ich damals aus gutem Grund nicht machen, aber da die kluge Politik von Partei und Regierung, unsere feste Freundschaft mit der Sowjetunion und nicht zuletzt unsere eigenen militärischen Anstrengungen, die ich schon von Berufs wegen erwähnen muß, alles von unserem Lande ferngehalten haben, was im schlimmen Sinne des Wortes abenteuerlich gewesen wäre, ist mir jenes erregende dreiviertel Jahr so deutlich in Erinnerung geblieben, als hätte ich es gerade hinter mir.
    Damals, zum Zeitpunkt der Ereignisse, von denen hier die Rede ist, hatten wir in den Stäben der Nationalen Volksarmee gerade die Gefechtsleitelektronik eingeführt, und ich hatte zu den ersten gehört, die an solchen Geräten ausgebildet wurden, wie man sie heute in allen Wirtschaftszweigen benutzt, in denen die produktive Tätigkeit mehr oder weniger weitgehend von nicht vorausberechenbaren Faktoren abhängt, in denen also ein Spiel (im theoretischen Sinne des Wortes) stattfindet. Damals freilich verfügte nur erst die Armee darüber, und das war auch die Ursache dafür, daß ich in dieses »Spiel« einbezogen wurde, dessen Verlauf die Niederschrift behandelt.
    Unsere damaligen Probleme, Auseinandersetzungen, auch Zweifel mögen heute vielleicht ein Lächeln hervorrufen, sowohl, was die technische, als auch, was die politische Seite der Sache angeht, aber man sollte dabei die einfache Tatsache nicht vergessen, daß hinterher immer alles klar ist, und daß fünf Jahre heute einen Abstand darstellen wie einst fünfzig Jahre. Da es sich außerdem hier um einen der Grundsteine jener Erfolge handelt, mit denen wir das neue Jahrtausend begrüßen, glaube ich trotz der Einschränkungen, die ich eben machen mußte, mit dem Interesse des Lesers rechnen zu dürfen.
    Für die Hilfe bei der sachkundigen Prüfung meines Manuskripts bin ich verschiedenen Genossen, mit denen ich jenes dreiviertel Jahr gemeinsam erlebte, zu Dank verpflichtet – vor allem aber Dr. Nora Aleman-Siebenstein, mit der uns, meine Frau und mich, noch heute herzliche Freundschaft verbindet, obwohl die erste Situation, in der wir drei zusammentrafen, eigentlich ein etwas peinliches Schauspiel war. Aber das gehört nun schon zu den Vorgängen selbst, deren Schilderung ich hiermit dem Leser übergebe.

    Neubrandenburg, den 30. 12. 2000

    Dr. Jürgen Tischner,
    Major

1
    Der gerade Weg von dem kleinen S-Bahnhof bis zum Eingang unseres Ministeriums bietet dem Offizier, der zur Berichterstattung befohlen ist, ausgezeichnete Gelegenheit, noch einmal alles zu durchdenken.
    Leider konnte ich diese Gelegenheit nicht nutzen, weil ich nicht wußte, weshalb man mich herbeordert hatte. Der Stab meines Panzerregiments hatte lediglich ein Fernschreiben erhalten, demzufolge ich, Oberleutnant Dr. Jürgen Tischner, Oberoffizier für Gefechtsleitelektronik, mich heute Punkt elf Uhr beim Chef der Verwaltung GLE zu melden hätte.
    Inge, meine Frau, hatte zwar noch ein bißchen gemault, weil sich für heute abend ein Warschauer Kollege von ihr, ebenfalls Büro-Ingenieur, zu Besuch angesagt hatte, aber ich hatte das nicht allzu ernst genommen, und sie hätte das wohl auch nicht erwartet – schließlich weiß sie ja, wen sie geheiratet hat.
    Mich hatte viel mehr geärgert, daß ich eine Diskussion mit unserem Stabschef, von der ich mir sehr viel versprochen hatte, verschieben mußte. Aber wer in der Lage ist, seinen Ärger über solche Dinge lange auf kleiner Flamme kochen zu lassen, der sollte nicht Offizier werden, und so hatte ich die Zeit der Bahnfahrt genutzt, mir für die besagte Diskussion noch ein paar Argumente einfallen zu lassen, so daß sich die Verschiebung, wie ich hoffte, positiv auswirken würde.
    Ich marschierte also ziemlich vergnügt durch den naßkalten Dezembermorgen und rätselte herum, was es heute wohl geben möge – nicht, weil ich nicht hätte warten können, sondern mehr so zum Vergnügen, aus Freude am Knobeln.
    Eine Beratung über den Stand der Einführung der Gefechtsleitelektronik in die Truppenpraxis hatte erst kürzlich stattgefunden –
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