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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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auf fruchtbaren Boden gefallen.
    Wir gingen schweigend nebeneinander her. Genosse Heilig sagte nichts, und ich wollte nicht fragen – ich mag es nicht, wenn Unterstellte Interesse mit Neugier verwechseln, weil ich es für unmilitärisch halte. Als wir die Formalitäten bei der Ausgabe des GLE-Gerätes erledigten, sah ich mir statt dessen den Sonderausweis an. Wieder eine Überraschung: Die graue Klappkarte war kein militärisches Dokument, sondern ein staatlicher Ausweis, gesiegelt und unterschrieben vom Vorsitzenden des Ministerrats – ein Foto, anscheinend aus meinen Kaderakten; der Name gedruckt, wie ich jetzt sah, nicht etwa mit Maschine geschrieben; darunter, mir unverständlich und ohne jede Beziehung, das Wort INSEL; auf der rechten Seite eine Aufforderung an alle staatlichen Stellen, dem Inhaber auf Verlangen jede mögliche Unterstützung zu gewähren.
    Mir wurde plötzlich klar, daß ähnliche Ausweise auch für die beiden anderen bereitgelegen haben mußten, denn offenbar war die Entscheidung ja erst nach unserer Unterhaltung gefallen. Und gerade durch diese formale Kleinigkeit wurde mir deutlicher als durch alles Vorangegangene bewußt, daß es sich hier nicht einfach um eine wichtige Angelegenheit handelte, sondern…, sondern…, also jedenfalls um etwas, für dessen Bedeutung ich in meiner Erfahrung keine Maßstäbe hatte.
    »Diesen Ausweis dürfen Sie nur bestimmten Leuten zeigen«, sagte Horst Heilig plötzlich, »vom Kreisratsvorsitzenden an aufwärts. Aber darüber sprechen wir noch. Kommen Sie, wir fahren.«
    Horst Heilig steuerte seinen Wagen, einen unauffälligen, nicht mehr ganz neuen Kyffhäuser mit einer Leipziger Nummer, auf die Autobahn in Richtung Prenzlau. Mir fiel dabei das seltsame Wort INSEL in meinem Ausweis ein. Richtung Norden…, Ostsee…, Insel… Vielleicht könnte man zu Hause vorbeifahren… Ach was, es würde sich zeigen.
    Ich sah meinen neuen Chef – das war er ja nun – von der Seite an. Massiver Schädel, graue Haare an den Schläfen, Fältchen in den Augenwinkeln; blasser Teint, etwas fleischig im Gesicht – kein Sportler, eher ein Büromensch. Einen Werkdirektor stellt man sich so vor, einen leitenden Verwaltungsangestellten.
    Hinter Bernau schaltete er den Steuerautomaten ein und wandte sich mir zu.
    »Machen wir uns miteinander bekannt!« sagte er. »Ihren Lebenslauf kenne ich, von Ihrem Charakter habe ich heute eine Probe erhalten, also wäre ich nun wohl an der Reihe. Ich bin Mitarbeiter des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, genauer Inspektor für Produktionssicherheit, vierundvierzig Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, wohnhaft in Moskau. Letzteres ist allerdings eine schamlose Übertreibung – meistens wohne ich in Hotels und Gästehäusern. Angefangen habe ich als Ingenieur für Wasserwirtschaft. Übrigens: Produktionssicherheit – können Sie damit etwas anfangen?«
    »Nein«, sagte ich, »ich bitte um Präzisierung.«
    Er lächelte – über meine Steifheit, wie mir schien, aber er sprach weiter: »Als die Inspektion für Produktionssicherheit gegründet wurde, war sie als eine Koordinierungsstelle gedacht, die gemeinsame Probleme aller RGW-Länder auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes, der Reinerhaltung der Luft, des Bodens, des Wassers und so weiter bearbeiten sollte. Ich war für das Wasser zuständig. Aber inzwischen hat sich ihre Funktion gewandelt – sie ist heute eine Art Abwehrstelle gegen den Wirtschaftskrieg der imperialistischen Staaten geworden. Aber sie ist es wiederum noch nicht ganz. Sie wissen ja, wie das geht: Der Inhalt der Arbeit verändert sich, die Organisationsform hinkt hinterher. Nun kommt wieder eine ganz neue Aufgabe, und wir haben weder die nötigen Kräfte noch die entsprechenden Einrichtungen und auch nicht die Zeit, das alles erst aufzubauen. Da müssen wir eben Hilfe aus den verschiedensten Bereichen anfordern – wie in Ihrem Fall. Oft sind die Leute, die wir von anderen wichtigen Aufgaben wegholen, dann verärgert – wie Sie.«
    Er sah mich an und lachte. Ich widersprach nicht.
    »Aber ich hab’ mit Leuten, die leichten Herzens ihre Aufgabe wechseln, schlechte Erfahrungen gemacht«, fuhr er fort. »Sie werden sehr schnell merken, daß Ihre neue Aufgabe nicht nur wichtig, sondern auch interessant ist. Sogar nicht einmal ganz ungefährlich. Lieben Sie die Gefahr?«
    »Ich bin Soldat«, sagte ich zurückhaltend, »ich scheue die Gefahr nicht, aber ich suche sie auch nicht.«
    »Richtig«, sagte er, aber ich merkte,
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