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0960 - Aibons böse Diener

0960 - Aibons böse Diener

Titel: 0960 - Aibons böse Diener
Autoren: Jason Dark
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»Heilt die Zeit nicht alle Wunden?« fragte Brian, der zweitjüngste der Brüder.
    Jack Tarling sah aus, als wollte er Brian an die Kehle springen. Im letzten Augenblick riß er sich zusammen und atmete nur scharf ein.
    Otis, der jüngste Tarling, erhob sich und ging zum Fenster. Er hatte es schon nach zwei Schritten erreicht, blieb dicht vor der Scheibe stehen und schaute hinaus.
    Es war eine wilde, düstere und gleichzeitig helle Nacht. Sie hatte etwas Besonderes an sich, wie Otis feststellte, denn in dieser Nacht kämpften zwei Jahreszeiten gegeneinander, und ihr Kampf schien sich am Himmel wie ein Spiegelbild zu zeigen. Die meisten Wolken waren dunkel, sie hatten sich zusammengeballt, als wollten sie sich gegenseitig festhalten.
    Aber wie die scharfe Klinge eines Schwertes war der Wind in diese Phalanx hineingefahren und hatte die Formation zerrissen.
    Jetzt zeigte sie größere Lücken, in denen eigentlich auch die Dunkelheit hätte liegen müssen, aber es war nicht der Fall. Die Lücken erstrahlten in einem ungewöhnlichen Licht. Otis konnte es sich nicht vorstellen, daß dieser ungewöhnliche Glanz von einem Gestirn stammte. Es war weder gelb noch silbrig, sondern hatte eine schon grünlich schimmernde Farbe.
    Der Winter wollte sich nicht verabschieden. Er kämpfte gegen den Frühling.
    Stürme waren angesagt worden. Heftige Regenfälle, hin und wieder auch Schnee. Der Himmel würde kochen, das war alles klar, das konnte man auch hinnehmen, aber dieses ungewöhnliche Licht zwischen den Wolkenfetzen störte Otis Tarling schon.
    Jack paßte es nicht, daß der Bruder am Fenster stand und in die Nacht hinausschaute. »He, Otis, was ist los mit dir? Sprichst du nicht mehr mit uns?«
    »Doch.«
    »Dann sag was.«
    Otis stöhnte auf. Von den vier Brüdern hatte er die hellsten Haare. Bei Jack war die rote Farbe noch sehr ausgeprägt, bei Hughes schon etwas schwächer, und bei Brian überwog das Blonde. In Otis’ Haaren dagegen schimmerte keine rote Strähne mehr. Er schien aus dem Familienverbund ausgeschert zu sein.
    »Kannst du nicht reden?«
    »Was willst du hören?«
    »Zum Beispiel, woran du denkst.«
    »Nicht an einen Brand-oder Mordplan, Bruder. Mich interessiert etwas ganz anderes.«
    »Da sind wir aber gespannt«, sagte Jack. Er hatte auch für die anderen beiden gesprochen, die aber rührten sich nicht, sondern schauten starr auf die graue Tischplatte.
    »Es ist der Himmel.«
    »Bitte?«
    »Ja, du hast richtig gehört. Ich interessiere mich für den Himmel, denn so einen habe ich noch nie zu Gesicht bekommen, da bin ich ehrlich. Das ist Wahnsinn!«
    »Wieso denn?«
    Otis hob die Schultern, aber er drehte sich nicht um, als er die Antwort gab. »Diese Farbe macht mir Angst, Brüder. Verdammte Angst sogar. Sie ist nicht normal. Oder habt ihr schon einmal einen grünen Himmel gesehen? Habt ihr das?«
    Brian fing an zu kichern. »Was sagst du? Grüner Himmel?«
    »So ist es.«
    »Wir wohnen ja auch auf der grünen Insel. Warum sollte da nicht auch der Himmel grün sein?«
    »Hör auf zu spotten, Brian. Mir ist es todernst. Ich weiß nicht, was sich uns da nähert, aber ihr dürft nicht vergessen, wo wir uns befinden.«
    »In einer Hütte im Wald.«
    »Stimmt, Hughes, in einer Hütte im Wald. Aber auf welchem Boden denn? Es gibt Leute, die sagen, daß er verflucht ist. Verbrannte Erde, vom Zauber der Druiden getränkt. Daran solltet ihr denken und nicht über mich lachen.«
    »Erde«, spottete Jack. »Verdammt noch mal, was hat denn deine Erde mit dem Himmel zu tun?«
    »Ich weiß es nicht.« Otis bewegte sich nicht von seinem Platz weg.
    »Aber die grüne Farbe oder das grüne Leuchten ist nun mal vorhanden, da könnt ihr mir sagen, was ihr wollt.« Er hörte, wie hinter ihm ein Stuhl gerückt wurde. Den Schritten nach zu urteilen, war es Brian, der zu ihm kam und ebenfalls schauen wollte.
    Otis hatte recht. Sein Bruder Brian blieb vor ihm stehen. Er wischte mit dem Handrücken über seine Lippen, bevor er den Kopf nach vorn drückte und ihn leicht schräg legte.
    Was er jetzt zu sehen bekam, war tatsächlich unheimlich. Die Formation der dunklen Nachtwolken riß immer weiter auf. Die grünen Inseln wuchsen, nahmen fast das ganze Sichtfeld der beiden Männer ein und schickte auch so etwas wie einen fahlen Lichtschein dem Erdboden entgegen, der sich dort wie ein Tuch ausbreitete.
    »Du sagst nichts, Bruder?«
    Brian wischte wieder über seine Lippen. »Verdammt noch mal, was soll ich sagen? Das ist schon
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