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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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doch einer wie Nicolai nur verlieren.“
    Er setzt sich auf einen seiner Besucherstühle und nickt. Er zieht die Mundwinkel leicht nach oben, über sein zerschlagenes Gesicht geht der Anflug eines Lächelns. Plötzlich redet er vollkommen ruhig.
    „Ja, gegen einen wie mich konnte Nicolai nur verlieren. Letztendlich war es so. Schön hast du das gesagt. Das ist das erste Lob aus deinem Mund seit vielen Jahren.“
    „Und die Zitzelsberger …?“
    „Die ist an einem Herzinfarkt gestorben.“
    „Hör auf, mich zu verarschen. Das warst auch du. Ich habe die Fotos gesehen, von ihrem Haus, von der Umgebung, du warst angeblich in Augsburg, aber …“
    Er lacht lauf auf.
    „Vergiß es, das ist gegessen. Kein Mensch gräbt die alte Hure wieder aus, das war ein Herzinfarkt und basta.“
    Ich hole tief Luft, um etwas zu sagen, aber dann atme ich nur laut aus und schüttle den Kopf. Er ist offenbar vollkommen verrückt geworden.
    „Jetzt haben wir unser Leben wieder einigermaßen im Griff und uns was aufgebaut, und da fährst du als Rächer durch die Lande? Und bringst Menschen um? Und wieder geht alles den Bach runter. Was glaubst du, wie lange es dauert, bis die Polizei vor der Tür steht? Und diesmal bist du der Mörder und nicht Nicolai.“
    Eine Welle der Wut und Verzweiflung erfaßt mich. Ich fange wieder an zu weinen.
    „Jetzt geht alles wieder los. Was haben wir denn davon, daß Nicolai tot ist? Wird Florian dadurch wieder lebendig? Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Gar nichts, nehme ich an. Du bist einfach nach Leipzig gefahren, hast deinen Revolver gezogen und hast ihn erschossen, oder was? Früher hast du die Leute mit Anwälten erledigt, und jetzt bringst du sie gleich ganz um.“
    „Ich habe ihn nicht erschossen, sondern erstochen. Und das ist kein Revolver, sondern eine Pistole.“
    Er sagt das so ruhig, als würde er sagen: Ich habe einen Anwalt eingeschaltet, aber mach dir keine Sorgen, das Ganze zahlt die Rechtsschutzversicherung.
    „Und an mich denkst du dabei gar nicht? Daß du unser Leben damit ruinierst?“
    „Was gibt es denn in unserem Leben noch zu ruinieren?“ Er lacht verächtlich. „Du hast Florian nie gewollt, du hast ihn nie geliebt, du warst nicht in der Lage, ihn zu beschützen, als er deinen Schutz am dringendsten gebraucht hätte. Du hast ihn dieser Hyäne ausgeliefert. Welches Recht hast ausgerechnet du, auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wie ich mit dem Mörder meines Kindes verfahre?“
    Ich will etwas sagen, aber er schneidet mir das Wort ab.
    „Hör auf. Es ist geschehen, und auf das, was kommt, bin ich vorbereitet.“
    „Und was wird kommen?“
    „Laß die Polizei doch ermitteln. Diese Armleuchter! Erst einmal müssen sie mir was nachweisen. Und selbst wenn, was soll denn schon passieren? Ein am Boden zerstörter Vater rächt den Mord an seinem Sohn. Das ist doch ein Geschenk für die Medien. Ganz Deutschland wird mit mir sympathisieren, denk nur an die Bachmeier. Ich bekomme fünf Jahre wegen Totschlags in einem minderschweren Fall. Dann weisen sie mich in die Psychiatrie ein, therapieren ein bißchen an mir herum, nach einem Jahr bin ich Freigänger und nach zwei Jahren wieder draußen. Aber Nicolai ist immer noch tot. Das war es doch es hundertmal wert.“
    Er sieht ruhig, ja heiter aus, als er das sagt. Wie immer hat er alles durchdacht.
    „Aber vielleicht passiert ja gar nichts, denn ich habe ja ein todsicheres Alibi für die letzten zwei Tage.“
    „Was für ein Alibi?“
    Er sieht mich freundlich, fast zärtlich an.
    „Aber Ingrid, du bist mein Alibi. Ich habe doch den ganzen Donnerstag und den Freitag zusammen mit dir zusammen verbracht, darum hast du dir auch heute freigenommen.“
    „Wenn du glaubst, daß ich der Polizei erzähle, daß wir ...“
    Er steht mit der Flasche in der Hand schwankend auf und setzt sich wieder.
    „Ingrid, ich habe schon lange keine Lust mehr auf die ganzen Diskussionen mit dir. Wenn du das nicht tust, dann werde ich dich auch umbringen.“
    Er setzt die Flasche an die Lippen und trinkt sie in einem Zug leer. Dann schweigt er und wartet wirklich auf eine Antwort von mir. Ich bin viel zu fertig, um überhaupt noch irgendwas zu sagen. Wir sitzen bestimmt fünf Minuten da und starren wortlos auf den Boden. Endlich zieht er die Pistole wieder aus dem Holster und hält mir die Waffe auf der ausgestreckten Hand liegend entgegen.
    „Was soll ich damit?“
    „Mich erschießen.“
    Ich sehe ihn an, und es kommt mir so vor, als
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