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Die Hitze der Hölle

Die Hitze der Hölle

Titel: Die Hitze der Hölle
Autoren: Paul C. Doherty
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mit Sägespänen und Stroh gefüllter Korb. Der Großmeister stand auf dem Podium und stimmte das De Profundis an, den Totenpsalm. Er wich einen Schritt zur Seite, als ein Soldat der Templer, der von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet war und eine rote Maske vor dem Gesicht trug, das provisorische Schafott betrat. Eine einzelne Trommel ließ sich vernehmen, als Legrave in Stiefeln, Hosen und einem weißen Leinenhemd aus dem Hauptportal des Herrenhauses geführt wurde. Er war bleich, zeigte aber keine Furcht. Er kletterte auf das Blutgerüst und kniete vor dem Block nieder. De Molay ging zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Legrave lächelte schwach und schüttelte den Kopf. Er wollte nichts hören. De Molay trat zurück. Der Scharfrichter band Legrave die Hände auf dem Rücken zusammen und drückte seinen Kopf auf den Richtblock. Einige Sekunden saß der Gefangene bewegungslos mit vorgestrecktem Hals und geschlossenen Augen. Dann hob er unvermittelt den Kopf. Der Scharfrichter wollte ihn schon ein weiteres Mal nach unten drücken, da gab ihm de Molay ein Zeichen. Legrave schaute in den Himmel und dann auf diejenigen, die seiner Hinrichtung beiwohnen würden.
    »Es wird ein schöner Tag«, sagte er mit deutlicher Stimme. »Die Sonne wird aufgehen, und der Nebel wird sich verflüchtigen. Brüder...« Jetzt zitterte seine Stimme ein wenig. »Brüder, denkt an mich.« Er legte den Kopf auf den Block, der Scharfrichter zog sein Hemd etwas zurück und trat dann einen halben Schritt beiseite. Die Trommel begann von neuem. Die große Axt beschrieb einen Kreis, es blitzte, als sie mit einem Pfeifen die Luft durchschnitt und schließlich Legraves Hals durchtrennte, Adern, Sehnen und alles. Corbett schloß die Augen, murmelte ein Gebet und begab sich nach draußen.

    Im Söller des Palastes des Erzbischofs von York saßen Edward, König von England, und John de Warrenne, der Earl of Surrey, auf den gepolsterten Bänken der Fensternische und schauten auf den Hof. Dort sattelten und zäumten Corbett, Ranulf und Maltote ihre Pferde und die beiden Packpferde, die sie von den königlichen Ställen für ihre Reise nach Süden geliehen hatten. Corbett stieg auf und schaute durch das Tor. Er überlegte, wie lange sie wohl von York nach Leighton brauchen würden. Der König unterdrückte seinen Ärger, öffnete seine Hand und schaute auf das Geheimsiegel.
    »Eure Hoheit, ich nehme meinen Abschied«, hatte Corbett erklärt. »Ich möchte um die Mittagszeit schon auf dem Heimweg sein. Ich habe mein Wort gehalten, jetzt ist es an Euch, dasselbe zu tun.«
    Der König hatte getobt und gefleht, aber Corbett hatte sich nicht erweichen lassen.
    »Euer König braucht Euch!« hatte Edward verärgert gerufen.
    »Meine Frau und meine Familie brauchen mich ebenfalls«, hatte Corbett entgegnet, den Ring vom Finger gezogen und das Siegel aus seiner Brieftasche genommen. Er war auf den König zugegangen und hatte ihm beides in die Hand gedrückt.
    »Edler Herr«, hatte der Bevollmächtigte geflüstert, »jeder gute Hund bekommt früher oder später seine Belohnung.«
    »Aber warum gerade jetzt?« Edward hatte Corbett am Hemd gepackt.
    »Ich...« Corbett schaute weg. »Ich bin müde«, hatte er heiser geflüstert. »Ich bin das Blut und die Gewalt leid. Ich trete von meinem Amt zurück. Ich möchte auf meinem Gut leben und meine Schafe zählen. Ich möchte mit meiner Frau das Bett teilen und nicht mit einem Dolch unter dem Kopfkissen einschlafen, während Ranulf und Maltote die Tür bewachen.«
    Corbett hatte die Finger des Königs um den Ring und das Siegel geschlossen und dann sein Gemach verlassen. Er hatte Ranulf und Maltote zugerufen, daß sie sofort aufbrechen würden.
    De Warrenne folgte Edwards Blick mit den Augen. »Ich könnte ihn aufhalten«, erbot sich der Earl. »Gebt mir zehn gute Bogenschützen, und ich halte ihn am Stadttor auf und bringe ihn zurück.«
    »Ach du meine Güte!« stöhnte Edward. Er beugte sich zu seinem Earl Marshall hinüber und kniff ihn in die Wange. »Ihr seid ein guter Mann, John. Wenn ich Euch befehlen würde, Euer Streitroß zu besteigen und den Mond anzugreifen, dann würdet Ihr auch das tun.« Er warf Corbetts Ring und Siegel zwischen die Binsen auf dem Fußboden, merkte sich jedoch genau die Stelle. »Ich habe Corbett zu dem gemacht, der er ist«, murmelte er heiser. »Er ist nicht unersetzbar.«
    Schon als er diese Worte sprach, wußte er, daß das nicht die Wahrheit war. Der verschlossene und etwas
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