Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hitze der Hölle

Die Hitze der Hölle

Titel: Die Hitze der Hölle
Autoren: Paul C. Doherty
Vom Netzwerk:
»Schließlich«, sagte Corbett, »das muß ich gestehen, machte ich einen schrecklichen Fehler.« Er sah die anderen an der Tafel an. »Ich dachte, dieser Orden sei im Kern verrottet, aber wie in jeder Gemeinschaft besteht auch hier Gut und Böse nebeneinander. Großmeister, ich entschuldige mich, daß ich Euch und Euren Brüdern mit solchem Mißtrauen begegnet bin.« Corbett rieb sich die Augen. »Aber ich bin müde und mit meinem Herzen bereits weit weg. >Veritas in ripa<«, murmelte er, »Die Wahrheit findet sich am Ufer.« Er schaute Legrave an. »Das hatte Baddlesmere an die Wand seiner Zelle geritzt, ehe er sich aufhängte. Er hatte ebenfalls erraten, wer der Täter war. Vielleicht hatte er etwas beobachtet. Vielleicht war ihm aufgefallen, daß sich Legrave in unmittelbarer Nähe der Trinity Lane aufgehalten hatte, als der König angegriffen wurde. Mag sein, daß er sich auch nur daran erinnerte, was für ein ausgezeichneter Armbrustschütze Legrave war. Ein geborener Krieger, er war weder Links- noch Rechtshänder, sondern vermochte mit beiden Händen gleich gut umzugehen. Er konnte mit Leichtigkeit eine Lanze von der einen in die andere Hand nehmen. Als ich mich an den Angreifer in der Bibliothek erinnerte und meinen Diener bat, die Szene nachzustellen, war ich erst ganz verwirrt. Da fiel mir ein, daß der Angreifer die Armbrust von einer Hand in die andere genommen hatte.« Corbett sah den Großmeister an. »Ihr wißt, was die Inschrift zu bedeuten hat?«
    »Ja, ja«, antwortete de Molay. »Das lateinische Wort für Ufer ist ripa, aber auf französisch heißt Ufer la grève.«
    Corbett schob seinen Stuhl zurück. »Baddlesmere wußte das«, erklärte er. »Aber er konnte einen alten Freund und Ordensbruder nicht verraten. Außerdem hatte er keinen Beweis. Er hinterließ nur eine kryptische Nachricht und hatte so ein reines Gewissen.« Corbett erhob sich. »Ich habe alles gesagt, Großmeister«, meinte er. »Es gibt keine geheime Verschwörung innerhalb des Templerordens, statt dessen hatten wir es, wie ich gezeigt habe, mit einem Versuch zu tun, den Orden in Mißkredit zu bringen, um Edward von England zu veranlassen, seinen Besitz zu beschlagnahmen und so Philipp von Frankreich mit gutem Beispiel voranzugehen. Legrave war das Werkzeug, die Köpfe waren jedoch«, Corbett blickte zu de Craon hinüber, »jene verderbten Seelen, die den französischen König beraten.«
    »Ich habe ebenfalls alles gesagt.« De Craon sprang auf, und sein Stuhl fiel krachend um. »Großmeister, ich weigere mich, diesen Unsinn noch länger anzuhören. Ihr beleidigt mich und meinen Dienstherrn. Ich werde bei Edward von England und beim Temple in Paris in aller Form protestieren.«
    »Ihr könnt gehen, wann immer es Euch beliebt«, meinte de Molay trocken. »Wie Ihr selbst wißt, seid Ihr ein Gesandter, der Immunität genießt. Ich habe keine Macht über Euch.«
    De Craon öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, überlegte es sich dann aber anders und eilte, gefolgt von seinem Schreiber, aus dem Saal. Im Vorbeigehen schaute er Corbett an. Der Bevollmächtigte zuckte zusammen, so bösartig war dieser Blick. Er wartete, bis de Craon die Tür hinter sich zugeknallt hatte. Der französische Gesandte rief nach seinen Pferden und nach seinen anderen Dienern.
    »Er wird nach York zurückkehren«, sagte Corbett, »sich ausgiebig bei seiner Hoheit beschweren und sich schon morgen um diese Zeit auf dem Weg zum nächsten Hafen befinden, um dort ein Schiff nach Frankreich zu besteigen. Ich muß jetzt ebenfalls aufbrechen.«
    Er sah Legrave an, der mit gefalteten Händen dasaß, in die Dunkelheit starrte und die Lippen bewegte, ohne daß ein Laut zu hören gewesen wäre. Corbett hoffte immer noch, dem Mann die äußerste Demütigung ersparen zu können.
    »Ihr könnt noch nicht aufbrechen«, erklärte de Molay.
    »Aber Ihr habt uns Euer Wort gegeben.«
    »Erst wenn wir mit dieser Angelegenheit fertig sind!« fauchte de Molay. »Und diese Angelegenheit ist noch nicht beendet!« Er drehte sich um. »Sir Ralph Legrave, Kommandant dieses Ordens, was habt Ihr auf diese Anschuldigungen zu erwidern?« Symmes, der neben dem Angeklagten saß, ergriff seinen Arm und schüttelte ihn. Legrave zog den Arm weg. Es hatte den Anschein, als könnte er etwas in den Schatten auf der anderen Seite des Saales sehen.
    »Was habt Ihr zu erwidern?« fragte de Molay noch einmal und noch unfreundlicher.
    »Ich bin Templer«, antwortete Legrave.
    »Ihr seid der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher