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Der Hundertjaehrige Krieg

Der Hundertjaehrige Krieg

Titel: Der Hundertjaehrige Krieg
Autoren: Joachim Ehlers
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1. Einleitung
    Zu den zentralen Ereignissen des europäischen Spätmittelalters gehört jener große Krieg zwischen der englischen und der französischen Monarchie, der in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts ausbrach und in einer Folge raumgreifender Feldzüge samt vielen regional begrenzten militärischen Aktionen bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts geführt wurde. Er betraf auch die benachbarten Reiche von Schottland bis Italien und Spanien, in besonderer Weise die deutschen Könige als Träger der Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches, brachte gewaltige Zerstörungen, Blutopfer und materielle Verluste mit sich, aber auch kräftige Modernisierungsimpulse durch progressive Entfaltung der politischen Theorie, der Verwaltung und der Heeresverfassung.
    Dieser ungewöhnlich lange und hartnäckig ausgetragene Konflikt, für den die Bezeichnung «Hundertjähriger Krieg» erst während des 19. Jahrhunderts in Frankreich aufgekommen ist, hatte tief in die Geschichte hinabreichende Wurzeln und war im wesentlichen dynastischer Natur, in der Substanz eine Angelegenheit zweier Königshäuser und der mit ihnen durch wechselnde Allianzen verbundenen Familien des Hochadels. Es handelte sich daher nicht um einen Krieg zwischen Staaten, in dem «Frankreich» und «England» gegeneinander angetreten wären, sondern um die militärische Auseinandersetzung zweier riesiger Lehnsverbände, und deshalb hingen Feindschaften ebenso wie Bündnisse von Heirats- und Verwandtschaftsbeziehungen ab, von persönlichen Loyalitäten, individuellen Ambitionen, von Förderung, Gunst und Huldverlust. Wegen dieser sehr subjektiv-personalen Bestimmung lassen sich die Abläufe nicht mit modernen Kategorien von Staatsräson und nationaler Politik durchschauen und erklären, auch nicht mit den üblichen Konzepten von homogenen Volkswirtschaften oder Institutionen,die unabhängig von den sie tragenden Personen gleichsam objektiv existieren. Wir sollten uns vielmehr fürs erste wie Ethnologen auf ungewohnte Verhaltensweisen fremder Menschen und auf eine Welt einlassen, deren andersartige Struktur wir zunächst beobachten und respektieren müssen, um sie überhaupt verstehen zu können.
    Eine frühe Voraussetzung für den späteren Konflikt ergab sich, als Herzog Wilhelm von der Normandie im Jahre 1066 mit einer Invasionsflotte an der südenglischen Küste landete, in der Schlacht bei Hastings das angelsächsische Heer besiegte und noch im selben Jahr König von England wurde. Gleichwohl blieb er Herzog der Normandie und als solcher Vasall des französischen Königs, doch fortan beherrschten englische Könige mit ihrem adligen Gefolge einen Teil Frankreichs.
    Fast hundert Jahre später, 1152, nahm ein anderer Herzog der Normandie, Heinrich von Anjou, Eleonore zur Frau, die soeben vom französischen König Ludwig VII. geschiedene Erbin des Herzogtums Aquitanien. Heinrich war der Sohn des Grafen Gottfried «Plantagenêt» von Anjou und Mathildes, der Tochter König Heinrichs I. von England. Nach dessen Tod im Jahre 1135 war Mathildes Recht auf die Nachfolge in England nicht anerkannt worden, so daß ihr Sohn und Erbe seinen eigenen Thronanspruch erst nach langen Kämpfen im Jahre 1154 durchsetzen konnte. Als Heinrich II. wurde er zum König von England gekrönt, blieb außerdem Graf von Anjou, Herzog der Normandie und durch seine Gemahlin Eleonore auch Herzog von Aquitanien. Zwar huldigte er für diesen Festlandsbesitz dem französischen König, aber faktisch regierte er außer England auch den größten Teil Frankreichs.
    Dieses Großreich der Anjou-Plantagenêt bestand zwar nur bis 1204, als der französische König Philipp II. die Normandie und das Poitou eroberte, aber im Südwesten Frankreichs hielt der englische König Heinrich III. auch später noch große Ländereien zwischen Charente und den Pyrenäen, deren Besitz ihm Ludwig IX. von Frankreich 1259 im Vertrag von Paris bestätigte, indem er sie ihm als «Herzogtum Guyenne» mit der Hauptstadt Bordeaux zu Lehen gab. Dafür verzichtete Heinrich III.auf Anjou, Maine und die Touraine, gab seinen Titel als Herzog der Normandie ebenso auf wie den des Grafen von Anjou. Was als dauerhaftes Friedensabkommen gedacht war, führte jedoch im Laufe der Zeit immer deutlicher erkennbar zu unvereinbar gegensätzlichen Positionen, denn die englischen Könige wollten ihr französisches Lehnsgut wie Eigentum behandeln und behalten, während die Könige von Frankreich ihren mächtigen Vasallen
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