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Der Hundertjaehrige Krieg

Der Hundertjaehrige Krieg

Titel: Der Hundertjaehrige Krieg
Autoren: Joachim Ehlers
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gänzlich vom Kontinent zu vertreiben suchten.
    Die Anfänge des Hauses Anjou-Plantagenêt
    Als die Spannungen sich im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts bis zur Entladung gesteigert hatten, befanden sich Frankreich und England wirtschaftlich und technisch im großen und ganzen auf dem gleichen Niveau, stimmten in ihrer Gesellschaftsordnung, ihrer Kultur und dem Wertesystem überein.
    In Frankreich lebten damals ungefähr 16 Millionen Menschen, und seine Hauptstadt übertraf mit 200.000 Einwohnern selbst die größten italienischen Städte. Als bedeutendstes Zentrum der Wissenschaft in Europa wirkte die Universität Paris meinungsbildend, auf theologisch-philosophischem Gebiet auch meinungsführend, und war intellektuelle Autorität von großem politischen Gewicht. Von Frankreich ausgehend verbreitete sich die Architektur der gotischen Kathedralen über die westlicheChristenheit; seit 1309 residierten die Päpste in Avignon mit einem mehrheitlich aus Franzosen bestehenden Kardinalskollegium; französische Herrscherhäuser regierten die Provence, Neapel-Sizilien, Navarra, Zypern. Gleichzeitig aber waren seit der Wende zum 14. Jahrhundert die Spannungen zwischen dem König und den Eliten in Adel, Klerus, Bürgertum Frankreichs gewachsen und sollten sich durch den Krieg noch steigern.
    Das Reich Heinrichs II. (1152/54–1189)
    England (also die Insel ohne Schottland und Wales) hatte etwa 5 Millionen Einwohner, von denen die meisten zu großen Grundherrschaften gehörten, die eine gut organisierte Landwirtschaft betrieben, vor allem Getreideanbau und Schafzucht zur Wollproduktion. Die einzig nennenswerte große Stadt, bewohnt von ungefähr 40.000 Menschen, war London, dessen Handel aber von Italienern, deutschen Hansekaufleuten und Kaufleuten aus Flandern beherrscht wurde. Seit dem 12. Jahrhundert hatte die zunehmend zentralisierte Königsherrschaft eine für die Bedingungen der Zeit hervorragende Verwaltung aufgebaut, doch seit Beginn des 14. Jahrhunderts wuchs der Einfluß des Parlaments, das auf Ladung des Königs zusammentrat und sich in zwei getrennten Häusern versammelte: geistliche und weltliche Herren im House of Lords, gewählte Vertreter der Grafschaften im House of Commons. Das Parlament wurde üblicherweise und besonders im Kriegsfall zur Bewilligung zusätzlicher Abgaben zusammengerufen; es konnte entweder starke Stütze oder mächtiger Gegner der Krone sein, in die Verwaltung und das Gerichtswesen eingreifen, Einfluß auf politische Entscheidungen suchen.
    Bei Steuerforderungen blieb auch die französische Monarchie auf den Konsens der Betroffenen angewiesen, obwohl sie seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts stärker geworden war und während der langen Regierungszeit Philipps IV. (1285–1314) einen deutlichen Schub hin zu theoretischer und administrativer Konsolidierung erfahren hatte. Nicht immer konnte der König von Frankreich die für Armeen nötigen Mittel aufbringen, aber gerade das wäre nötig gewesen, weil sich sein zunehmend strenges Regiment auf ein konsequent gehandhabtes Lehnrecht stützte, also Herrschaft über Vasallen war und insofern auchden englischen König natürlich nicht aussparen konnte. Dessen Besitzungen auf dem Kontinent wurden wie alle anderen Gebiete nach lehnrechtlichen Kriterien behandelt, und folgerichtig definierten die Juristen und Berater des Königs von Frankreich jeden politischen Konflikt als feudale Auseinandersetzung zwischen dem französischen Lehnsherrn und seinem widerborstigen englischen Vasallen. Mangelndes Wohlverhalten oder mißliebiges Handeln konnten sie jederzeit als Rechtsverletzung kriminalisieren und entsprechende Strafen empfehlen. Der Einsatz militärischer Macht gegen Amtsträger des englischen Königs oder auch gegen diesen selbst mußte demnach nicht als Krieg, sondern durfte als legitimes Mittel zur Wiederherstellung gekränkten Rechts dargestellt werden.

2. Aufbau des Konflikts
 (1316–1345)
    Unter den gegebenen Voraussetzungen konnte der englische König nur dann dauerhafte Sicherheit für seinen Kontinentalbesitz erlangen, wenn er den Vasallenstatus abwarf und selbst König von Frankreich wurde.
    Die Gelegenheit dafür begann sich im Jahre 1316 abzuzeichnen, als Ludwig X. nach ungewöhnlich kurzer Regierungszeit ohne männlichen Erben starb und damit eine dynastische Krise auslöste, die zum Existenzkampf der französischen Monarchie werden sollte. Weil die Königinwitwe schwanger war, bestand noch Hoffnung auf einen Thronfolger,
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