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Der Hundertjaehrige Krieg

Der Hundertjaehrige Krieg

Titel: Der Hundertjaehrige Krieg
Autoren: Joachim Ehlers
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geworden, als sie es vor dem Sommer 1346 gewesen waren.
    Der englische König hatte zwar den Krieg nicht gewonnen, aber für Frankreich bedeutete die Niederlage des letzten Jahres einen erheblichen Rückschlag, denn der Waffenstillstand wurde auf der vereinbarten Grundlage mehrmals verlängert und dauertebis Juni 1355. Eine schwere Krise von Wirtschaft und Gesellschaft kam hinzu, die allerdings ganz Europa betraf und deshalb auf den Kriegsverlauf nur insoweit Auswirkungen hatte, als die folgenden Operationen in Zeiten eines starken Bevölkerungsrückgangs stattfanden. Ende 1347 nämlich kam die Pest aus Italien ins Rhônetal und breitete sich im Laufe des folgenden Jahres aus. Die mit den medizinischen Kenntnissen der Zeit nicht therapierbare Krankheit forderte Todesopfer in großer Zahl und führte zum zeitweiligen Zusammenbruch der Gesellschaftsordnung, denn in den südfranzösischen Städten starben gleich nach Ausbruch der Seuche 40 bis
60 %
der Einwohner, in England wohl 20 % der gesamten Bevölkerung. Diese Verluste sind durch Zuzug vom Lande und durch natürliches Wachstum relativ rasch ausgeglichen worden, aber die Pest kam zwischen 1357 und 1362, 1368 und 1370, 1373 und 1375, 1380 und 1400 in sechzehn großen und acht kleineren Schüben immer wieder zurück.
    Eduard III., König von England (1327–1377)
Grabmal in Westminster Abbey, London (1377/80)
    Integration der Gesellschaft und besonders ihrer Führungsschicht war unter diesen Bedingungen das Gebot der Stunde; die Mittel dafür waren zeitspezifisch und der ritterlichen Mentalität angepaßt. Eduard III. veranstaltete seit dem Sommer 1348 eine Reihe großer Turniere, in deren Mannschaften auch vornehme französische Kriegsgefangene antraten. In Windsor gewann der Graf von Eu, Connétable von Frankreich, den Hauptpreis. Anfang August stiftete der englische König die Georgskapelle in der Burg von Windsor als Sitz des von ihm gegründeten
Order of the Garter,
des heute noch in Großbritannien unter dem Patronat des heiligen Georg bestehenden und verliehenen Hosenbandordens. Als ältester weltlicher Ritterorden ging der
Garter
aus einer
table ronde
hervor, einer Gesellschaft für dreihundert Ritter, die 1343/44 nach dem Vorbild der sagenhaften und in vielen Ritterepen beschriebenen Tafelrunde des Königs Artus eingerichtet worden war. Der wesentlich exklusiveren Neugründung für vierundzwanzig Ritter, die an der Schlacht von Crécy teilgenommen hatten, stand als Souverän der König selbst vor; den Ordensmitgliedern waren feste Plätze im Chorgestühl der Georgskapelle zugeteilt, markiert mit ihrenWappen und Bannern. Natürlich hatten Orden und Kapelle als Zentrum und Höhepunkt ritterlichen Zeremoniells auch eine politische Funktion, die sich sowohl in den Farben Blau und Gold manifestierte als auch in der Devise
Hony soit qui mal y pense
(«Ehrlos, wer schlecht darüber denkt» – nämlich über den Anspruch des englischen Königs auf die Krone Frankreichs).
    Das Vorbild des Hosenbandordens wirkte weiter, denn das im Krieg gesteigerte Bedürfnis nach Ausrichtung einer militärischen Führungselite auf den Monarchen und die öffentliche Repräsentation des Rittergedankens als Ferment der zeitgenössischen Adelsgesellschaft brachten in der homogenen Zivilisation des westeuropäischen Spätmittelalters weitgehend identische Formen hervor. 1352 stiftete König Johann II. von Frankreich den Sternenorden
(Ordre de l’Étoile),
nachdem er schon 1344 als Herzog der Normandie eine ritterliche Bruderschaft für zweihundert Mitglieder eingerichtet hatte. Weit weniger elitär als der
Garter,
dafür mit deutlich größerem integrativen Elan, war der Sternenorden auf fünfhundert ritterliche Mitglieder ausgelegt, die gelobten, niemals vom Schlachtfeld zu fliehen. Deshalb fielen schon im Stiftungsjahr nahezu hundert Ritter in der Bretagne, und das Ordensgelübde war einer der Gründe für das Verhalten Johanns II. in der Schlacht bei Maupertuis 1356, als er die englische Gefangenschaft rechtzeitiger Flucht vorzog. 1430 verband Herzog Philipp der Gute von Burgund vierundzwanzig hohe Aristokraten seiner Länder und befreundete Fürsten im Orden vom Goldenen Vlies
(Toison d’Or),
bezogen auf den griechisch-antiken Sagenkreis um Jason und die Argonauten, mit dem heiligen Andreas als Patron und der Palastkapelle von Dijon als Zentrum. Hier wie auch in allen Kirchen, in denen der Orden getagt hatte, wurden die Wappen der Mitglieder angebracht; in der
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