Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi

Titel: Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi
Autoren: P. B. Kerr
Vom Netzwerk:
Methusalem

    Bevor sie von New York in den Irak abreiste, um ihr neues Amt als Blauer Dschinn von Babylon anzutreten, hatte Layla Gaunt, der mächtigste Dschinn der Welt, ihren Mann Edward mit einer Methusalem-Fessel belegt. Sie wollte damit verhindern, dass ihre Kinder John und Philippa ihr folgten. Methusalem ist der älteste in der Bibel erwähnte Mensch. In der Schöpfungsgeschichte heißt es, er sei neunhundertneunundsechzig Jahre alt geworden und dann gestorben. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man genauer darüber nachdenkt. Heutzutage gilt jeder, der über hundert Jahre alt wird, schon als ungewöhnlich betagt und erhält zumindest in England, wo solche Dinge noch eine Rolle spielen, ein Glückwunschtelegramm von Ihrer Majestät der Königin. Wie nicht anders zu erwarten, lässt eine Methusalem-Fessel einen Menschen in kürzester Zeit rapide altern.
    Mrs   Gaunt hätte ihren Ehemann einem solchen Schicksal normalerweise niemals ausgesetzt. Sie hatte ihre Dschinnfessel so konstruiert, dass sie nur in Abwesenheit der Zwillinge wirksam werden würde. Mit anderen Worten, Mr   Gaunt wäre niemals im Schnelldurchlauf gealtert, wenn seine Kinder zu Hause gewesen wären. Mrs   Gaunts Fessel hatte die Zwillinge lediglich davon abhalten sollen, ihr nach Babylon hinterherzureisen.Zu dem Zeitpunkt, als sie die Dschinnfessel schuf, wusste Mrs   Gaunt allerdings nicht, dass die beiden Gestalten, die sie für ihre Zwillinge hielt, in Wirklichkeit nur deren perfekte Imitate waren, geschaffen von einem Engel namens Afriel, damit niemand merkte, dass die echten Kinder in Nepal und Indien in ein Abenteuer verstrickt waren. Als die Zwillinge endlich wieder nach Hause in die East 77 th Street in New York zurückkehrten, war ihr armer Vater schon ein uralter Mann.
    »Tattrig« beschreibt nicht einmal annähernd, wie er bei ihrem Wiedersehen aussah. Er wirkte altersschwach, greis, abgezehrt, prähistorisch und ein bisschen wie ein lebendes Fossil. Menschen – denn im Gegensatz zu seiner Frau und seinen Kindern war Edward Gaunt ein Irdischer, das heißt ein ganz gewöhnlicher Sterblicher und kein Dschinn   –, die so alt aussehen, wie er es tat, befinden sich für gewöhnlich schon im Innern eines Sarges. An den Rollstuhl gefesselt, weil seine spindeldürren Beine inzwischen zu schwach waren, um ihn zu tragen, und mit einem karierten Schal um den Hals, der ihn vor der Kälte des New Yorker Frühlings schützen sollte, fiel es schwer, Mr   Gaunt mit dem liebevollen Vater in Verbindung zu bringen, den die Zwillinge gekannt hatten. Ja, im Grunde wirkte er kaum noch wie ein Mensch, sondern eher wie etwas aus einem knisternden alten Horrorfilm – natürlich in Schwarz-Weiß und wahrscheinlich mit dem unheimlichen Boris Karloff in der Hauptrolle.
    Sein Haar war sehr fein und spröde und schlohweiß, als habe eine kranke Spinne es gewebt. Seine Zähne waren extrem lang und gelb, wie die Tasten eines uralten Klaviers. Seine kraftlosen Hände zitterten und waren von kleinen braunen Altersflecken bedeckt. Seine wässrigen grauen Augen glichen zwei Austern.Seine pfeifende Flüsterstimme klang wie ein Heizkörper, aus dem abgestandene Luft entweicht. Und es ließ sich nicht leugnen, dass er roch wie ein blühender Weißdorn: ziemlich streng, muffig und nach Verwesung. Genau wie die Pest in London, wie die englischen Landbewohner im Mittelalter zu sagen pflegten.
    John fand, sein Vater sehe aus wie achtzig. In Wirklichkeit jedoch war er mehr als dreimal so viel gealtert. Noch genauer gesagt, war er so stark gealtert, dass er schon jetzt so aussah, wie er mit zweihundertundfünfzig Jahren aussehen würde. Mr   Gaunt war ohne Zweifel der am ältesten wirkende Mensch seit Methusalem.
    Nimrod, ein weiterer mächtiger Dschinn und der Onkel von John und Philippa, war der Ansicht, dass Mr   Gaunts Fessel nicht weiterwirken würde, solange sich die Zwillinge in der Nähe ihres Vaters aufhielten. »Nach einer Weile«, sagte er, »wird sich die Fessel umkehren und euer Vater wird sich wieder verjüngen. Da bin ich ganz sicher. Wichtig ist nur, dass ihr bei ihm bleibt, hier in New York. Und ich werde natürlich auch bei euch bleiben, statt nach London zurückzufliegen.«
    Mr   Rakshasas, ein weiterer Dschinn und mit seinen mindestens einhundertundfünfzig Jahren ebenfalls schon recht betagt – Dschinn leben nämlich wesentlich länger als Menschen   –, teilte Nimrods Auffassung, dass sich die Fessel umkehren würde. Aus dem Innern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher