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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade
Autoren: Lilli Beck
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1
    «Eine Aufbaukur würde bei Ihnen Wunder wirken, Frau Meyer.»
    Trixi, meine junge Friseurin, deren flotter Bob rabenschwarz glänzt, steht mit kritischem Blick hinter mir. Und wie bei jedem meiner monatlichen Besuche würde sie gerne meine Haarfarbe verändern.
    «Freitag ist bei uns Anti-Aschblond-Tag. Sind Sie bereit für eine neue Haarfarbe?» Ihre professionell manikürten Finger fahren mit schnellen, routinierten Bewegungen durch mein fahles, aschblondes Haar. Spielerisch schiebt sie es vom Hinterkopf nach vorne und täuscht so eine enorme Fülle vor.
    Dass die Aufbaukur für mein Fusselhaar sein soll, weiß ich natürlich. Aber ihre Pflegeempfehlung trifft auch auf mich zu. Ich gebe nämlich ein Abendessen für zwölf Leute und bin im Stress. Dennoch habe ich einen Termin bei «New Style» reingequetscht, damit wenigstens meine Frisur gut aussieht. Da legt Konrad besonderen Wert drauf.
    «Tut mir wirklich leid, Trixi, aber heute passt es gar nicht. Wir geben nämlich eine Dinnerparty, und ich brauche Zeit für das Buffet», versuche ich mich zu entschuldigen.
    «Schönheit braucht auch ihre Zeit», philosophiert Trixi und lächelt geheimnisvoll wie eine Sphinx. Vielleicht summiert sie aber auch nur gedanklich die vielen Stunden, die sie selbst täglich vor dem Spiegel verbringt, um ihr Make-up zu perfektionieren und sich modisch zu stylen. Ich dagegen stehe ja lieber am Herd. Seit ich als Neunjährige meinen ersten Schokopudding gekocht und mit geschlagener Sahne verziert habe, koche ich leidenschaftlich gerne.
    «Beim nächsten Mal ganz sicher», verspreche ich. «Heute nur Spitzen schneiden. Ich bin wirklich in Eile.»
    Trixi sieht mich verständnislos an, verzieht den hellrosa glänzenden Mund zur Schnute und zupft den Ausschnitt ihres pinkfarbenen Pullis zurecht.
    «Und natürlich Waschen und Föhnen», ergänze ich schnell. Dieses Studentenangebot, sich die Haare selbst zu föhnen, würde Trixi als echte Beleidigung empfinden.
    «Wirklich schade, Frau Meyer, ein helleres, strahlenderes Blond würde Ihre klassischen Gesichtszüge vorteilhaft betonen», erwidert sie leicht verschnupft und hüllt mich für die Haarwäsche in einen schokobraunen Umhang.
    Der dunkle Ton macht auch keine Schönheit aus mir, stelle ich mit ernüchterndem Blick in den Spiegel fest und begebe mich zu den Waschbecken. Ein Azubi mit sauber gezupften Augenbrauen, getuschten Wimpern und dünnen langen Koteletten legt mir noch ein Handtuch in den Nacken. Dann sinke ich in den Liegesessel und bette mein Haupt in der Beckenmulde. Während ringsum die Scheren klappern, Haartrockner surren und mir gefühlvoll das Haar shampooniert wird, meditiere ich in den venezianischen Kronleuchter und gehe die Reihenfolge meiner anstehenden Erledigungen durch: erst zu Feinkost «Käfer», dort habe ich Thai-Spargel und Rinderfilet bestellt … die Fahrt dauert etwa fünfzehn Minuten … auf dem Heimweg am Blumenladen vorbei … Getränke, Champagner und Wein liefert der …
    «Ist die Wassertemperatur so angenehm?»
    Die sanfte Stimme des Azubis unterbricht meine gedankliche Einkaufsfahrt. Ich murmle ein zufriedenes «Ja, danke» und hoffe, rechtzeitig zu Hause zu sein, um den Weinhändler zu empfangen.
    Wenig später sitze ich, einen goldgelben Handtuchturban auf dem Kopf, wieder bei meiner Hairstylistin. Das Mikrofasermaterial passt farblich zwar in die elegante Opulenz des ganz in Schokoladenbraun und Gold gehaltenen Trend-Salons, lässt mich aber kränklich aussehen. Ich frage mich, warum viele Frauen so gerne zum Friseur gehen? Mir gefällt selten, was ich da im Spiegel sehe. Auch jetzt denke ich wieder, dass meine hellblauen Augen müde aussehen, mich der beige Pulli ziemlich blass macht und ich wenigstens Lippenstift tragen sollte.
    Geübt löst Trixi den Turban, drückt vorsichtig die Feuchtigkeit aus meinem nassen Haar und legt mir anschließend ein frisches Handtuch um die Schultern.
    «Also dann, wie immer?», erkundigt sie sich mit gewohnt professioneller Höflichkeit. Unterschwellig höre ich aber ihre Hoffnung heraus, ich würde wenigstens der aufhellenden Farbspülung zustimmen, die sie mir seit Wochen empfiehlt.
    «Ja, bitte. Wie immer», antworte ich und lächele versöhnlich.
    Resigniert greift sie zum Kamm und entwirrt vorsichtig mein Haar. «Den Kaffee auch wie immer?»
    «Sehr gerne, Trixi.»
    Ja, ich bin ein Gewohnheitsmensch. Vor Veränderungen fürchte ich mich. Deshalb empfinde ich Friseurbesuche
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