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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade
Autoren: Lilli Beck
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letzter Zeit habe ich jedoch das unangenehme Gefühl, dass sich mein Ehemann stark verändert hat. Das betrifft nicht sein ehemals dunkles Haar, das inzwischen durchweg von Grau durchzogen ist, oder seinen Bauchansatz, der trotz des vielen Sports nicht schwinden will, weil Konrad wie sein Vater gerne ein Glas zu viel trinkt. Für Ende fünfzig sieht Konrad immer noch ganz gut aus.
    Nein, es ist dieser kühle und distanzierte Blick und die oft kalte Höflichkeit, mit der er mich seit einigen Monaten behandelt. Als wären wir Fremde und nicht seit fünfundzwanzig Jahren verheiratet. Aber wirklich unangenehm ist seine ständig schlechte Laune.
    Ich poliere gerade noch ein paar zusätzliche Weingläser, als Konrad aus dem Bad zurückkommt. Er ist wieder in Architekten-Schwarz gekleidet. Ein Fremder würde vielleicht gar nicht erkennen, dass er sich umgezogen hat. Ich dagegen kenne die verschiedenen Schnitte seiner Hosen, die Revers oder Knöpfe an den Jacketts und die unterschiedlichen Kragenformen seiner Hemden.
    «Wolltest du heute nicht zum Friseur?» Abschätzend betrachtet er mein Haar.
    «War ich auch. Leider mögen meine Haare keine feuchte Luft. Es gab bei Käfer keinen Parkplatz vor der Tür. Ich musste ein Stück laufen und –»
    «Aha.» Konrad greift nach der auf dem Küchenblock bereitstehenden Glaskaraffe und widmet sich dem Mixen des Martinis. Seit vor ein paar Jahren die Küche in den Wohnraum integriert wurde, empfangen wir hier nicht nur unsere Gäste, auch Konrad genießt hier gerne seinen abendlichen Drink. Allerdings ist dieses Ritual selten geworden, seitdem er oft sehr spät oder nur am Wochenende nach Hause kommt.
    Mit dem Stilglas in der Hand begibt sich Konrad dann zu unserm Hund. «Na, alter Knabe …» Liebevoll streichelt er Oscars Kopf. «Heute schon die Damen der Umgebung beschnüffelt?»
    Oscar antwortet mit einem leisen «Wuff», bleibt aber wohlerzogen liegen. Sobald das Herrchen zu Hause ist, folgt er nur seinen Befehlen. Der Name unseres Hundes hat übrigens nichts mit dem Hollywood-Oscar zu tun. Er ist eine Hommage an Oscar Niemeyer, den großen brasilianischen Architektur-Titan. Dieses Genie bewundert Konrad schon seit seinem Studium. Und Konrads größter Traum wäre, auch eine Stadt wie Brasilia bauen zu dürfen. Wer baut, setzt Zeichen! So lautet sein Motto. Umso wichtiger sind Kontakte zu großen Bauherren. Dr. Preysing nebst Frau, die wir heute zusammen mit einigen anderen Gästen erwarten, gehören unbedingt in diese Kategorie. Früher durfte ich Konrad manchmal auf seine Baustellen begleiten und seinen Vorträgen lauschen. Seine Ideen von innovativer Formensprache, wegweisenden Bauten und wohnlichen Innenstädten klangen so tröstlich. So, als gäbe es Hoffnung auf eine Welt ohne Bausünden und ohne Verschwendung von Steuergeldern, stattdessen großzügigen Wohnraum für Familien.
    Alles nur hohle Worte, seufze ich still in mich hinein und merke, dass ich melancholisch werde. Zum Glück summt in diesem Moment unsere Überwachungsanlage.
    Konrad eilt an die Tür, Eulalia hinterher.
    «Dr. Preysing, wie schön, Sie zu sehen. Gnädige Frau! Bitte kommen Sie doch herein. Eulalia, die Mäntel», höre ich seine strenge Anweisung. Anschließend führt er die Gäste charmant lächelnd an den Küchentresen.
    Das Ehepaar Preysing ist erst Ende dreißig. Aber beide sehen nach sehr viel Geld aus. Er trägt einen steingrauen, dezent schimmernden Anzug, der so perfekt sitzt, dass er nur von einem Maßschneider stammen kann. An seiner Krawatte klemmt eine protzige Goldnadel und an den Manschetten seines eisblauen Hemds blitzen Diamanten, so groß wie die Himbeeren an meinen Schokotörtchen. Auch die wuchtige Uhr an seinem rechten Handgelenk sieht nicht aus, als hätte er sie beim Kaffeeröster erstanden.
    Frau Preysing könnte eine Kundin von Trixi sein: Ihr Haar glänzt im gleichen Rabenschwarz wie das meiner Friseurin. Die vollen, sinnlichen Lippen und die grünen Augen sind kunstvoll, nach meinem Empfinden aber etwas zu stark betont. Das fließende Material und der Schnitt ihres orangeroten Kleides betonen wirkungsvoll ihre üppigen Kurven, und die hohen lilafarbenen Pumps verlängern ihre schlanken Beine. In unserem grau-weißen Heim wirkt Tina Preysing wie ein bunter Falter. Die weiß-grau gestreifte Krawatte ihres Gatten harmoniert dagegen perfekt.
    Freundlich lächelnd überreicht sie mir den mitgebrachten Blumenstrauß und wendet sich dann an Konrad, der sie schon die ganze
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