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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade
Autoren: Lilli Beck
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Zeit bewundernd betrachtet: «Herzlichen Dank für die Einladung, Herr Meyer. Ihre Frau ist nicht zu Hause?»
    Konrad fixiert mit strengem Gebieterblick meine Schürze, bevor er stotternd antwortet: «Äh … das ist meine Frau.»
    Dr. Preysing entschärft lachend die peinliche Situation: «Schatz, bei nächster Gelegenheit kriegst du auch so eine Schürze. Ich finde, das sieht ganz reizend aus!»
    Verlegen reicht mir seine Frau die Hand: «Freut mich sehr, Frau Meyer, ich bin Tina Preysing, und bitte entschuldigen Sie. Das war dumm von mir.»
    Auch ihr Mann bedauert den Fauxpas beim Händeschütteln. Die Preysings scheinen eigentlich ganz nett zu sein. Und mittlerweile freue ich mich auch wieder auf den Abend. Mein eben noch schlecht gelaunter Ehemann hat sich in einen charmanten und höflichen Gastgeber verwandelt und will gerade Getränke anbieten, als wieder der Türsummer ertönt.
    Diesmal geht Eulalia alleine öffnen. An den Stimmen erkenne ich Carla und Frank Milius, unsere Nachbarn. Frank ist ebenfalls Architekt und hat zusammen mit Konrad studiert. Carla sieht trotz ihrer neunundfünfzig Jahre phantastisch jung aus. Nicht ein Fältchen stört ihr Gesicht, obwohl sie zehn Jahre älter ist als ich. Natürlich ist sie kein Naturwunder. Sie schwört auf teure japanische Kosmetik, ihren Coiffeur in Paris und einen berühmten plastischen Chirurgen vom Bodensee. Dass sie aber auch modisch auf dem neuesten Stand ist, erkennt man deutlich an der knallengen Designer-Jeans in Grün, den Stilettos in einem etwas dunkleren Ton und dem mintgrünen Satinjackett, das sie auf nackter Haut trägt.
    «Servus Evelyn, ich hab einen Bärenhunger! Hab extra den ganzen Tag nichts gegessen, damit ich jetzt richtig zuschlagen kann.» Sie küsst mich freundschaftlich auf die Wangen und verkündet dann überschwänglich laut in die Runde: «Diese Frau ist nämlich eine 100-Sterne-Köchin!»
    Ich weiß, dass sich Carla keine Sorgen um ihr Gewicht macht und Speckröllchen einfach absaugen lässt, aber über nette Komplimente freue ich mich immer.
    Konrad stellt die Ehepaare einander vor und übernimmt auch den Rest der Etikette: Er bietet Getränke an, reicht Blumensträuße und Gastgeschenke an Eulalia weiter. Kurz darauf treffen zwei jüngere Kollegen nebst Freundinnen ein. Etwas verspätet erscheinen schließlich auch Alma und Arwed Meyer, meine Schwiegereltern. Und ich wage zu behaupten, dass sie im Grunde die heutigen Ehrengäste sind.
    Konrads Vater ist Architekt, wie alle Meyer-Männer in dieser Familie. Die Söhne ergreifen diesen Beruf aus Tradition, führen die alteingesessene und gutgehende Firma weiter – und heiraten die Chefsekretärin. Und genau wie ich für meinen Schwiegervater Briefe getippt, Termine vereinbart und Telefonate erledigt habe, hat meine Schwiegermutter damals für ihren Schwiegervater dergleichen erledigt.
    Unnötig zu erwähnen, dass auch Arwed nur schwarze Anzüge trägt. Heute kombiniert mit weißem Hemd und schwarz-weiß getupfter Krawatte. Meiner schlanken Schwiegermutter sieht man immer noch an, dass sie als junge Frau eine strahlende Schönheit gewesen sein muss. Ihr silbergrauer Abendanzug im Smokingstil wirkt zu den kurz geschnittenen grauen Haaren sehr elegant. Drei große Silberringe an den Fingern, die sie als einzigen Schmuck trägt, vervollständigen das Bild. Alma ist wirklich eine überaus attraktive Erscheinung. Die Neunundsiebzig glaubt ihr niemand.
    «Guten Abend, mein Kind, sind wir zu spät?»
    Almas Frage ist rein rhetorisch, sie erwartet eigentlich keine Antwort. Jedenfalls nicht von mir. Seit Jens und Timo vor einem Jahr nach London gingen, um dort Modedesign zu studieren, spricht sie zwar noch
zu
aber nicht mehr
mit
mir. Ich nehme es meiner Schwiegermutter aber nicht übel, denn es ist letztlich ihr zu verdanken, dass die Zwillinge in England studieren können. Ihren geliebten, einzigen Enkelsöhnen kann sie einfach nichts abschlagen. Und so hat sie Konrad mit klugen Argumenten (in der Mode ginge es schließlich auch um Formen und Gestaltung) überzeugt, das Studium als Orientierungsphase anzusehen und es dennoch zu finanzieren.
    «Na, Evelyn, wieder den ganzen Tag am Herd gestanden?», erkundigt sich mein Schwiegervater jovial, als handle es sich um etwas absolut Unzumutbares, und reicht mir die Hand. «Warum kochst du eigentlich immer noch selbst? Nicht mal die Unterschicht steht noch am Herd.»
    Auch wenn ich mich gut mit ihm verstehe (ohne meine Anstellung bei ihm hätte
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