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Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Titel: Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
Autoren: Emilia Jones
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1.
    Ein Schatten fiel über Wengodians Gesicht und ließ seine roten Augen stärker erglühen als gewöhnlich. Wie eine wilde Bestie, bereit zum Angriff, hockte er in der Dunkelheit. Ein Furcht erregendes Knurren drohte sich unwillkürlich über seine Lippen zu schleichen. Gerade noch rechtzeitig hielt er sich zurück. Er wusste, dass er nicht vorzeitig entdeckt werden durfte. Dann hätte er seinen Plan nicht verwirklichen können. Oh ja, wisperte seine innere Stimme, er war bereit, und nun würde er auch nicht mehr lange warten müssen.
    Wenige Schritte von seinem Versteck entfernt setzte eine strahlende, menschliche Gestalt am Boden auf. Sie wiegte sich in dem lauen Wind des hereingebrochenen Sommerabends. Tänzelnd und voller Anmut schritt sie weiter.
    Wengodian unterdrückte einen Brechreiz. Er konnte den Anblick dieser Wesen einfach nicht ertragen.
    So schön.
    So rein.
    »So dämlich«, murrte er leise und spuckte aus.
    Als er sich anschließend aufzurichten begann, verursachten die morschen Knochen in seinem Körper ein widerwärtiges Knacken.
    »Er ist Mein, elendes Miststück.« Endlich erhob er seine Stimme und ließ sie einem Donnergrollen gleich über die offene Landschaft hallen. Diebisch grinsend beobachtete er, wie die weiße Gestalt erschauerte. Das Licht ihrer Flügel in der Dunkelheit zuckte nur ein einziges Mal, ehe es vollkommen erstarb. Wie ein gewöhnlicher Mensch stand sie nun da – mit ihren nackten Füßen auf dem kalten, feuchten Erdboden. In dem dünnen Kleid wirkte sie geradezu lächerlich. Ihre hübschen blauen Augen weiteten sich. Ein Ausdruck von Unverständnis lag darin.
    Wengodian fühlte sich seiner Sache sicher. Die Oberen würden gegen die Unteren niemals triumphieren. Sie waren viel zu verweichlicht! Sie ließen sich von dem schlappen Befehl eines Unbekannten vollkommen aus dem Konzept bringen. - Oh ja, er konnte mit ihr spielen, wie ein Hund mit seinem Ball, lachte er in sich hinein.
    Freudig schnaufend sprang Wengodian aus seinem Versteck, einem großen Holunderbusch, hervor. Schneller, als die weiße Gestalt es erfassen konnte, erreichte er sein Ziel: Einen Körper, der leblos auf dem Gehsteig vor einem Haus lag. Seine Arme waren ein wenig verdreht, denn er hatte offenbar noch versucht, seinen Sturz abzufangen.
    Es war ein Mann um die Vierzig, der dort einen Herzanfall erlitten hatte. Weit und breit hatte es keine Hilfe gegeben. Obwohl er für das Erreichen seines Zuhauses unter normalen Umständen nur noch Sekunden gebraucht hätte, war er allein gestorben. Unbemerkt von seiner Frau, die hinter dem Fenster zur Straße in der Küche stand und das Abendessen zubereitete.
    Wengodian lachte schadenfroh, als er in die offenen Augen des Mannes starrte. Es machte beinahe den Eindruck, als flehe dieser Mensch darum, mit ihm gehen zu dürfen.
    Ganz langsam löste sich die Seele, stieg auf, bis sie über dem Körper schwebte – unsichtbar für jedes menschliche Auge. Sie wirbelte in einem Strudel, zögerte, in welche Richtung sie sich wenden sollte, als hoffte sie immer noch auf Hilfe, um in den erschlafften Leib zurückkehren zu können. Im Inneren der Seele pulsierte es abwechselnd blau und gelb. Wengodian wusste, dass sie hellgelb aufleuchten würde, sobald sie bereit für ihren Aufstieg in den Himmel war.
    Hätte dieser verflucht strahlende Engel in seinem lächerlichen weißen Kleidchen dort an seiner Stelle gestanden, wäre das auch sehr schnell der Fall gewesen. Aber nun, aus dem Konzept gebracht, wusste die Seele nicht, wohin sie gehörte.
    Wengodian rümpfte die Nase. Die Seele war von der guten Sorte und verfügte daher über einen Geruch, den er nur schwer aushalten konnte. Er musste schnell handeln.
    Aus einer Seitentasche brachte er eine bauchige Flasche hervor, öffnete den Verschluss und lockte die Seele mit süßlichen Worten an. Sie kam schneller als gedacht, und Wengodian beglückwünschte sich selbst für diese perfekte Ausführung seines Plans. Jetzt musste er nur noch zurück in die Hölle und sich vom Teufel das verdiente Lob abholen.

    Auf Wolkenschichten war Marafella aus dem Himmel gekommen. Die reinweißen Flocken – weich wie Wattebausche – hatten sie den ganzen Weg über sanft hinab getragen, bis sie endlich einen ihrer nackten Füße ausstrecken konnte, um damit nach dem Erdboden zu tasten.
    Sie wurde von Hitze empfangen. Natürlich, sagte sie sich, es war Sommer und somit eine warme Jahreszeit, dennoch war die vorherrschende Hitze recht ungewöhnlich.
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