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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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EIN ECHTER FEIGLING
    G old.« So, wie Weh das sagte, klang es wie ein Rätsel, zu dem es keine Lösung gab. »Das macht die Männer verrückt.«
    Scheu nickte. »Jedenfalls diejenigen, die es nicht sowieso schon sind.«
    Sie saßen vor Stupfers Fleischladen, dessen Name zwar nach einem Bordell klingen mochte, der aber tatsächlich das schlechteste Essen im Umkreis von fünfzig Meilen auftischte, und das wollte bei der hiesigen Konkurrenz schon etwas heißen. Scheu hockte auf den Säcken, die auf ihrem Karren lagen, und Weh saß auf dem Zaun, wie er das immer zu tun schien, als hätte er einen riesigen Splitter im Hintern und sei mit dem dort hängen geblieben. Sie beobachteten die Leute.
    »Ich bin hierhergekommen, weil ich niemanden mehr sehen wollte«, sagte Weh.
    Scheu nickte. »Und jetzt sieh dir das alles bloß mal an.«
    Im letzten Sommer hätte man einen Tag lang durch die Stadt streifen können, ohne auf ein bekanntes Gesicht zu treffen; überhaupt wäre man auch an mehreren Tagen kaum mehr als zwei Menschen begegnet. Aber ein paar Monate und ein Goldfund können eine Menge verändern! Jetzt platzte Handelsguth aus seinen ausgefransten Nähten, so viele kühne Pioniere strömten durch die Straßen. Der Verkehr ging nur in eine Richtung, nach Westen, den erträumten Reichtümern entgegen. Manche drängten sich so schnell hindurch, wie es die dichte Menge eben zuließ, andere machten Rast, um selbst zu Geschäftigkeit und Chaos beizutragen. Wagenräder ratterten, Maultiere schnaubten und Pferde wieherten, es blökte das Vieh und die Ochsen brüllten. Männer, Frauen und Kinder gleich welcher Herkunft und Rasse brüllten und blökten ebenfalls in den verschiedensten Sprachen und aus den unterschiedlichsten Gründen. Es hätte ein buntes Treiben sein können, wenn der herumwirbelnde Staub nicht alle Farben mit einer grauen, allgegenwärtigen Dreckschicht überzogen hätte.
    Weh nahm geräuschvoll einen Schluck aus seiner Flasche. »Ziemlich gemischtes Publikum, was?«
    Scheu nickte. »Alle fest entschlossen, irgendwas umsonst zu bekommen.«
    Die Menschen waren von verrückter Hoffnung gepackt. Oder von Gier, je nachdem, wie viel Vertrauen der Beobachter in die Menschheit setzte, und das war in Scheus Fall nicht übertrieben viel. Sie alle waren geradezu besoffen von der Möglichkeit, dort draußen im großen Nichts in einen kalten Teich zu fassen und sich mit beiden Händen ein neues Leben herauszuziehen. Ihr langweiliges Ich am Ufer hinter sich zurückzulassen wie eine abgestreifte Haut, um die Abkürzung zum Glück zu nehmen.
    »Keine Lust, da mitzumachen?«, fragte Weh.
    Sie drückte die Zunge gegen die Vorderzähne und spuckte durch die Lücke. »Ich? Nee.« Wenn sie es überhaupt lebend bis nach Fernland schaffen würden, dann standen die Chancen gut, dass sie einen Winter lang mit dem Hintern im eisigen Wasser hockten und nichts als Dreck herausschaufelten. Und wenn der Blitz in den Spatenstiel einschlug, was dann? Es war ja nicht so, dass Reiche keine Sorgen kannten.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Scheu noch daran geglaubt, dass man etwas umsonst bekam. Da hatte sie ihre Haut abgestreift und war lächelnd beiseitegetreten. Aber oft genug war letztlich die nackte Wahrheit die gewesen, dass Abkürzungen einen nicht an den Punkt brachten, auf den man gehofft hatte, und oft genug durch blutiges Land führten.
    »Schon allein das Gerücht, dass es irgendwo Gold gibt, macht sie verrückt.« Der Knubbel an Wehs Hals bewegte sich, als er noch einen Schluck nahm, während er zwei Möchtegern-Goldsuchern zusah, die an einem Verkaufsstand um die letzte Spitzhacke stritten. Der Verkäufer versuchte, sie vergeblich zu beruhigen. »Jetzt stell dir mal vor, wie diese Ärsche sich aufführen würden, wenn sie erst mal einen Goldklumpen in die Hände bekämen.«
    Das musste sie sich gar nicht erst vorstellen. Sie hatte es bereits erlebt, und das zählte nicht gerade zu ihren schönsten Erinnerungen. »Männer brauchen nicht viel, um sich wie Tiere aufzuführen.«
    »Frauen auch nicht«, ergänzte Weh.
    Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Wieso guckst du mich dabei an?«
    »Hatte dich wohl gerade im Kopf.«
    »Hm. Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, deinem Gesicht so nahe zu sein.«
    Weh zeigte ihr lachend seine Grabsteinzähne und reichte ihr die Flasche. »Wieso hast du keinen Mann, Scheu?«
    »Wahrscheinlich mag ich Männer nicht besonders.«
    »Du magst niemanden besonders.«
    »Die anderen haben
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