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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2
Autoren: Carl Hanser Verlag
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W enn man nachts in den Hügeln Schreie hört, fängt man an zu laufen. Völlig egal, wer du bist und wie du heißt – du tust es einfach. Instinkt, Adrenalin, was immer, es legt los, und du ziehst mit. Vernünftige Menschen rennen in die entgegengesetzte Richtung. Idioten, wie ich einer bin, jagen hinter den Schreien her.
    Mir schlug das Herz, während meine Beine mich durch den Ginster trugen, denn, verflucht noch mal, das hier war der Corstorphine Hill … nicht unbedingt ein Fairway. Bei meiner gegenwärtigen Verfassung, verheiratet mit einer Flasche Fusel und vierzig, Quatsch, sechzig Kippen pro Tag, konnte ich noch fünf Minuten so weitermachen bis zum Herzinfarkt.
    Ich rutschte aus, landete auf dem Hintern. Ziemlich nass hier, war halt Schottland, hey … das gehört einfach dazu. »Scheiße, ey!«, brüllte ich, als meine Handflächen über die harten, knorrigen Wurzeln eines Baums schrammten. Brannte wie Sau. Als ich aufzustehen versuchte, machte ich gleich wieder den Flieger und knallte mit dem Kopf tüchtig gegen den Stamm.
    »Herr im Himmel …« Ich berührte meine Schläfe. Sah Blut auf den Fingerspitzen, bekam aber noch nicht zusammen, ob’s von meinem Kopf oder von den zerkratzten Händen stammte. In beiden pulsierte ein rasender Schmerz im Takt meines kurz vor dem Zerbersten stehenden Herzens.
    Da waren wieder diese Schreie. Lauter diesmal. Ich war näher. Was ich an Strecke zurückgelegt hatte, auf dem Arsch den Hang hinunterrutschend, war anscheinend in der richtigen Richtung gewesen. Ich konnte nicht sagen, ob ich dafür jetzt dankbar sein sollte oder nicht. Das Geräusch verbrannte mich. Echter Schmerz. Leiden. Und wenn ich mich nicht völlig irrte, war da auch Lachen …
    Irgendwer führte da was gar nicht so Gutes im Schilde.
    Ich versuchte mich umzusehen, aber abgesehen vom Mond, es war nur die dünne Sichel und noch dazu halb verdeckt hinter Wolken, gab’s nur wenig beziehungsweise gar kein Licht.
    Ich tappte weiter, folgte dem Wimmern. Bekam eine Gänsehaut mit jedem neuen Schmerzlaut. Jemand, oder etwas, steckte in verdammt ernsten Schwierigkeiten. Als brauchte ich noch zusätzliche Bestätigung, legten die Peiniger noch eins drauf.
    Als der erste Schuss ertönte, dachte ich: Das war’s.
    Game over.
    Ich wartete auf einen gellenden Schrei, irgendwas, was die Sache besiegelte.
    Was ich allerdings hörte, war … nichts.
    Ich stand mucksmäuschenstill da. Eine sanfte Brise war alles, was sich in der Stille des Waldes bewegte. Ich spürte, wie das Blut in den Adern meines Halses pumpte wie Kolben. Setzte eisern meinen Weg fort, Zweige schlugen mir ins Gesicht, stolperte über einen Baumstamm und flog einen steilen Abhang hinunter. Dabei segelte der Flachmann mit dem Famous Grouse aus meiner Tasche und kollerte davon.
    Weiter unten hörte ich Bewegung, Stimmen, mehr Schüsse und dann … wieder die Schreie.
    Ich schlug unten auf, als hätte mich ein Schwerlaster erwischt. Am Rand einer Lichtung blieb ich liegen. Dort war es hell. Ein aufgemotzter Corrado, das Fernlicht eingeschaltet. Ich rappelte mich auf, spuckte eine Ladung Dreck aus, vergewisserte mich, ob meine Brücken noch alle da waren, und versuchte mich zu konzentrieren.
    Na los, Gus, reiß dich gottverdammt zusammen!
    Meine Augen brannten. Ich wischte die langen Grashalme weg, die sich in meinen Haaren verfangen hatten, und wartete darauf, dass ich wieder klar sehen konnte. Lange dauerte es nicht; ich wünschte mir, mein Sehvermögen wäre nicht zurückgekehrt. Das wollte ich nicht sehen. Ich war bereit zu töten. Es gibt da diese Redewendung, ich hör sie dauernd. Ich bring dich um, und wenn ich selbst dabei draufgehe … So weit war ich mit diesen Scheißkerlen.
    Ich sah mich nach einer Waffe um, einem Stein, einem Stock, irgendwas. Fand nichts. Also würde ich’s auf die althergebrachte Art durchziehen müssen. Was mich nicht entmutigte. Mit geballten Fäusten stürmte ich los.
    »Scheiße, ihr Dreckskerle!«, heulte ich wie eine ganze Irrenanstalt nach der Medikamentenausgabe. Schnappte mir den ersten, der mir in die Finger kam, einen jungen Rowdy, höchstens mal siebzehn, und rammte ihm einen vernichtenden Schlag aufs Maul. Er ging zu Boden wie ein Sandsack. Die drei anderen brauchten einen Moment, um sich umzudrehen; das Heulen des Hundes, den sie an einen Baum gebunden hatten, übertönte alles andere. Sie schossen mit Luftgewehren auf ihn; als sie mich erspähten, änderte sich ihr Ziel.
    »Schnappt euch den
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