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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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dasaß, die Knie an seine ausgemergelte Brust gezogen. Noch immer suchten seine Augen den leeren Himmel ab. Seine Tochter nahm ihn schützende in die Arme und schluchzte: »Tut ihm nicht mehr weh! Der Mashiah hat unsere ganze Familie getötet. Der Schmerz hat ihn verwirrt. Er weiß nicht, was er sagt!«
    Rachel schaute sich auf dem von Menschen dicht besetzten Platz um. Die Angst zeichnete jedes Gesicht; bei vielen schien der Wahnsinn nicht mehr fern. Zitternd vor Übermüdung und beginnender Panik bewegten die Menschen sich unruhig und beobachteten einander argwöhnisch. Schon bald würden sie verrückt genug sein, um sich gegenseitig zu töten, um ein bißchen mehr Platz zu bekommen.
    »Wir alle verlieren den Verstand«, sagte eine junge Frau in einer abgetragenen braunen Robe zu Rache. »Es … es muß an der Hitze liegen.«
    »Ja, die Hitze.«
    Als die Nacht kam, brachen Kämpfe aus, weil die Menschen versuchten, sich Platz zum Schlafen zu sichern. Rachel blieb stehen und ließ Sybil zwischen ihren gespreizten Beinen schlafen. In der Ferne änderten die gezackten Spitzen der Berge ihre Farbe von Rot zu Indigo. Rachel versuchte, sich vorzustellen, sie befände sich dort, sicher und geborgen in einer der Tausenden von Höhlen, welche die Hügel durchzogen. Sie träumte davon, eine Quelle zu finden, an der sie sitzen und sich vom Wasser benetzen lassen konnte, wo sie die Hände zu einem Gefäß formen und Sybil so viel zu trinken geben konnte, wie sie nur wollte.
    Mitten in der Nacht, als die Sterne wie der Besatz eines Halstuches schimmerten, das jemand über den Himmel ausgebreitet hatte, fuhr Rachel ein plötzlicher Schrei durch Mark und Bein. Im schwachen Sternenschein sah sie, wie der alte Mann sich erhob und den Arm in Richtung der dunklen Bergspitzen ausstreckte. Sein Haar stand wirr vom Kopf ab und ließ ihn wie einen der halbtoten Dämonen aus den Abgründen der Dunkelheit erscheinen.
    »Seht! Das Meer des Blutes! Es verschlingt unsere Kinder! O mein Gott, mein Gott, was haben wir getan, daß wir eine solche Strafe verdient haben?«
    Rachel blickte zum sternengeschmückten Himmel auf und versuchte, ihre Gedanken von der schreckenerregenden Prophezeiung abzuwenden. Die Worte hatten sie mitten ins Herz getroffen. Ein Geräusch drang durch die Dunkelheit, dann noch eins und noch eins. Die Jungen packten den alten Mann bei den Ärmeln und warfen ihn zu Boden.
    »Wieso könnt ihr es nicht sehen? Es ist der Schlachtkreuzer! Er ist für alles verantwortlich! Und er ist so nah! Könnt ihr nicht …«
    »Bringt ihn endlich zum Schweigen! Wir brauchen Schlaf!«
    Der Klang reißenden Stoffes durchschnitt die Nacht, und als Rachel sich umwandte, sah sie, wie einer der Jungen den Stoff zu einem Knoten zusammenballte und ihn dem alten Mann in den Mund stopfte, während ein anderer ihm die Hände fesselte. Der Alte strampelte und keuchte verzweifelt.
    Seine Tochter streichelte in stummer Verzweiflung seine Schulter.
    Rachel schloß die Augen. Würde die Nacht niemals enden? »Herr des Universums, warum hast du kein Erbarmen mit uns?« Sie preßte eine Hand auf den Mund, um das trockene Schluchzen zu unterdrücken, das sie schüttelte.
    »Mo … Mommy«, sagte Sybil und streichelte besänftigend das Bein ihrer Mutter. »Nicht weinen. Warum weinst du?«
    Rachel ließ sich auf den Boden sinken, quetschte sich zwischen zwei Männer und eine Frau und umarmte ihre Tochter.
    »Steh auf, verdammt! Hier ist kein Platz mehr!« fluchte der Mann und stieß gegen Rachels Rücken, doch sie krümmte sich gegen die Schläge zusammen und weigerte sich, aufzustehen. Ihre Beine waren plötzlich zu schwach, um sie zu tragen.
    »Schlag meine Mommy nicht!« schrie Sybil und hieb mit ihren kleinen Fäusten nach dem Bein des Mannes.
    Der Mann hob abwehrend die Hände und murmelte: »Schon gut. Für den Moment jedenfalls.«
    Sybil kroch auf Rachels Schoß und schlang die Arme um ihren Hals. »Nicht weinen, Mommy. Komm, ich streichle dich in den Schlaf.« Ihre Tochter streckte eine müde, schmutzige Hand aus, um ihren Rücken zu erreichen. »Es ist alles gut, Mommy. Nicht …«
    »Psst, Liebes«, schluchzte sie und strich über Sybils verfilztes Haar. »Du bist diejenige, die schlafen muß. Morgen wird es vielleicht noch schlimmer. Wir müssen unsere Kraft bewahren.«
    »Aber du mußt auch schlafen.«
    »Ist gut, ich werd’s versuchen. Mach jetzt die Augen zu.«
    »Wir machen sie zusammen zu«, sagte Sybil und beobachtete Rachel durch ein
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