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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Geschichte sahen die Menschen das Antlitz Gottes und erhielten so die Kraft, um durchzuhalten. All die Worte, Taten, Gedanken und Emotionen der Geschichte bildeten das Brot und den Wein des Sakramentes, das die Berührung Gottes – durch das Mea – sowohl in das Symbol wie auch in das Instrument seiner Gnade verwandelte. Und diese Gnade stahlen die Magistraten den gamantischen Kindern, indem sie die historischen Erzählungen aus ihren Gedanken löschten.
    Zadok schaute sich müde um, betrachtete die dunklen Klippen und den sternengeschmückten Himmel. »Deshalb leben wir hier in den Höhlen, nicht wahr, Mikael? Um dich zu beschützen.«
    »Du meinst …« Der Junge war verwirrt. »Du meinst, weil Middoth unser Volk versklavt hat und Jekutiel es erretten mußte?«
    »Oh, nein. Ich dachte an etwas anderes. Aber du hast natürlich auch recht. Das ist ein weiterer Grund, weshalb wir hier leben, getrennt von den anderen Bewohnern der Galaxis.«
    Zadok hielt an, als sie um eine Ecke bogen. Ein tiefer Bariton erhob sich machtvoll aus dem Innern des Tempels und trieb auf der kühlen Brise heran, um ihn wie die Hand Gottes zu umschließen. Er drückte Mikaels schmale Finger und setzte sich schwerfällig wieder in Bewegung.
    Lachende und schwatzende Menschen drängten sich außerhalb der Höhle. Der Anblick erwärmte Zadoks Herz. Anläßlich großer Feste kamen Gamanten von überall in der Galaxis hierher, um daran teilzunehmen. Und jedes Jahr schien es, als tauchten längst verloren geglaubte Verwandte plötzlich aus dem Nichts auf.
    »Papa?« Zadoks älteste Tochter lächelte und winkte, als sie die beiden näherkommen sah. Sie war eine hochgewachsene Frau mit langem schwarzem Haar und großen braunen Augen. Ihre silberfarbene Robe flatterte im Wind. Neben ihr standen ihr Ehemann Mark und ein paar andere Leute, die ebenfalls lächelten.
    »Mein Stolz kennt keine Grenzen«, meinte Zadok, während er ein paar Schritte machte, um ihr sanft die Wange zu tätscheln. Ezarin hatte den ersehnten Rang des Rev erreicht, indem sie die wundervollen alten Texte auswendig lernte, die die Holocausts der Vergangenheit überdauert hatten.
    Sie küßte ihn liebevoll auf den kahlen Schädel und streckte dann die Hand zu der Frau aus, die ein paar Schritte entfernt stand. »Papa, erinnerst du dich an Cousine Shoshi Mekilta?«
    Zadok schielte zu ihr hinüber. Die vom Alter gebeugte Frau hatte ihr strohfarbenes Haar am Hinterkopf zu einem festen Knoten zusammengesteckt. Ihre Nase ragte wie eine scharfe Pfeilspitze aus dem Gesicht hervor. »Elmas Tochter?«
    »Natürlich, du alter Narr«, grummelte die Frau.
    »Lieber Himmel. Ich dachte, du wärst tot.«
    Shoshis brüchiges Gackern hallte von den Felsen wieder. »Du meinst, du hast es gehofft. Ich habe nicht vergessen, daß du mich mal um meine ganzen Ersparnisse gebracht hast.«
    »Du hast ein Gedächtnis wie die Regierung. Das war doch vor mehr als zweihundert Jahren.«
    Sie drohte ihm mit dem Finger. »So leicht vergesse ich nichts. Ich bin …«
    »Und diese dreißig Scheine waren deine ganzen Rücklagen? Offensichtlich hast du nicht vorgehabt, so lange zu leben.«
    Als Shoshi ärgerlich die Stirn runzelte, sagte Ezarin schnell: »Bitte entschuldige mich, Cousine Shoshi. Papa? Du mußt heute Nacht singen.«
    Zadok schnitt angesichts der Unterbrechung eine unwillige Grimasse. Es hatte ihm Spaß gemacht, Shoshi zu necken. »Ich bin zu alt, um zu singen.«
    »Er ist für alles zu alt«, warf Shoshi ein und kicherte, als Zadoks Augen sich verengten.
    »Du bist eine alte Jungfer. Woher willst du wissen, wozu ein Mann meines Alters in der Lage ist!«
    »Papa!« platzte Ezarin heraus und unterdrückte ein Lachen. »Samual ist krank. Jemand muß seinen Platz einnehmen.«
    »Du hast doch eine schöne Stimme.«
    »Du hast mir erzählt, ich würde wie eine kreischende Katze klingen.«
    »Und als du mich das letzte Mal überredet hast zu singen, ist die halbe Gemeinde mysteriöserweise sehr früh nach Hause gegangen. Ich habe nicht vor, mich selbst in Verlegenheit zu bringen …«
    »Ich glaube, bei dieser Feier war ich auch«, seufzte Shoshi. »Überrede ihn bloß nicht zu singen.«
    »Ich werde nicht singen«, erklärte Zadok abwehrend. »Wo ist Hector?«
    »Seine Stimme klingt nicht so voll wie deine.«
    »Aha, er ist also hier. Dann soll er für Samual singen«, entschied Zadok und strich geflissentlich die Aufschläge seines Gewandes glatt, als wolle er damit bekunden, daß die Diskussion beendet
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