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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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blaue Ball glühte im Licht, das aus seinem Innern hervordrang. Die Menschen sammelten sich um die beiden, und andere Kinder zeigten begeistert auf die leuchtende Kugel.
    Wie hypnotisiert und ohne sich dessen bewußt zu sein, streckte Mikael die Hand aus. Aufflammende Wirbel zuckten über die Oberfläche des Mea Shearim. Zadok packte die kleinen Finger und schob sie fort. »Willst du, daß Epagael dich jetzt schon findet?«
    »Gott weiß doch schon, wo ich bin, Großvater. Das hast du mir selbst gesagt.«
    »Ja, aber er würde mit dir sprechen wollen, wenn du das hier berührt hättest.«
    »Ich will mit Gott sprechen.«
    »Das glaubst du nur. Er ist nicht so freundlich, wie die meisten Menschen sich das vorstellen.« Er barg das heilige Objekt wieder in seinem Hemd. Mikael beobachtete ihn dabei genau.
    »Ich weiß, wie man das Mea benutzt, Großvater.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja«, rief Mikael aufgeregt. »Man muß sich ganz auf sich selbst konzentrieren, hier drinnen« – er tippte sich an die Stirn – »dann hält man das Mea an den Kopf und schickt sich selbst hindurch.«
    »So geht das normalerweise, ja. Aber manchmal streckt Gott auch seine Hand aus und packt dich, wenn du es am wenigsten erwartest. Und das ist der Grund, weshalb du nicht damit spielen darfst. Gott denkt immer, du meinst es ernst, wenn du das Mea aufnimmst.«
    Mikael nickte und leckte sich über die Lippen. »Großvater, erzählst du mir noch einmal davon, wie der Himmel von Meas erfüllt war? Und wie die Magistraten kamen und sie alle genommen und in …«
    »Heute abend gibt es wichtigere Geschichten, über die du nachdenken solltest. Zum Beispiel über Edom Middoth und das Exil.«
    »Führten all die anderen Meas auch zu Gott?«
    Zadok seufzte. »Die Legenden berichten, daß einige es getan haben und andere nicht. Aber da unseres als einziges übrig geblieben ist, weiß niemand etwas Genaues darüber. Doch jetzt denk an das Exil.«
    »Aber …«, wandte Mikael ein, überlegte es sich dann anders und gab nach. »In Ordnung, erzähl mir von Middoth.«
    »Kannst du nicht warten, bis du es von Rev Bahir hörst?«
    »Nein. Bitte, erzähl du es mir.«
    Zadok strich das lockige schwarze Haar des Kindes zurück und lächelte. Dann erhob er sich, nahm die Hand des Jungen und setzte seinen Weg fort. »Also gut, aber nur ein bißchen, sonst verderbe ich dir noch die Sighet-Feier.«
    »Nur ein bißchen«, strahlte der Junge.
    Zadok atmete tief ein, und seine Stimme klang dunkler. »Vor langer, langer Zeit, in den Tagen der Ruhe, lebte unser Volk auf einem einzigen Planeten, einer blauen Welt von außergewöhnlicher Schönheit. Doch eines Tages …«
    »Kam Edom Middoth!«
    »Ich dachte, du wolltest, daß ich diese Geschichte erzähle?«
    »Sei nicht so schwierig, Großvater«, ahmte Mikael die Stimme seiner Mutter Sarah nach und brachte Zadok damit zum Lachen.
    »Ich bin niemals schwierig.«
    »Aber du weißt doch – ich möchte, daß du mir von Jekutiel erzählst. Davon, wie sie ihr Mea benutzte, um uns während des Exils zu retten. Wie sie zu Gott flog und er ihr in einem Wirbelsturm Schiffe gab, und wie eine große Flammensäule sie zu dem Planeten führte, wo unser Volk …«
    »Ah, schon wieder das Mea. Ich glaube, du kennst die alten Geschichten besser als ich. Warum erzählst du mir nicht, was sich zugetragen hat?«
    »Ach, Großvater. Bitte«, bettelte Mikael, während seine Augen sehnsüchtig auf die Ausbuchtung unter Zadoks Hemd gerichtet waren. »Erzähl du es mir. So wie jedes Jahr.«
    »Ich sollte froh sein, daß du es überhaupt hören möchtest«, murmelte Zadok, mehr zu sich selbst. »Es gibt nicht mehr sehr viele Menschen, die das wollen.« Ein Anflug von Trauer überkam ihn. Die meisten gamantischen Kinder waren in die magistratischen »Rechtsschulen« entführt worden, wo sie indoktriniert wurden, bevor man sie die Wahrheit über die Vergangenheit lehren konnte. Bewußtseinssondierungen brachten die Kinder gegen ihre Eltern und Freunde auf und zwangen sie zu glauben, die Fakten der gamantischen Geschichte und Religion seien falsch.
    Zadok runzelte die Stirn. Schmerz erfüllte seine alte Brust. Auch wenn manche das Mea für das wahre Mysterium der gamantischen Religion hielten, so wußte er doch, daß es in Wirklichkeit die »Geschichte« war. Als Sakrament diente das Mea lediglich dem Führer der Gamanten, indem es ihn vor das Angesicht Epagaels leitete. Für den Rest des Volkes nahm die Geschichte den Platz des Meas ein. Durch die
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