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Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor
Autoren: dtv
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Kapitel 1

    Das Schulabschlussfest in Krabbsjögrund glich einer Weihnachtsfeier, wie sie im Buche steht. Nahezu alle Einwohner des Städtchens waren gekommen, um die Vorführungen, die Lotterie, heißen Punsch und Pfefferkuchen zu genießen. Karl hatte noch versucht, seinen Großvater zu überreden mitzukommen, aber der hatte nur geknurrt, dass er in der Garage noch etwas zu reparieren habe. Wie immer.
    Im Bürgerhaus schlugen ihm Lärm und Hitze entgegen. Die Leute drängten sich, redeten und lachten. Karl blieb ein bisschen unsicher in der Tür stehen. Von einem gedeckten Tisch draußen im Foyer zog der Duft von Kaffee und Weihnachtsgebäck herüber. Die Türen zum Saal waren geöffnet und nach und nach füllten sich die Bankreihen vor der Bühne mit den ersten Besuchern. Karl sah sich suchend nach bekannten Gesichtern um. Mittlerweile waren bereits zwei Monate vergangen und Karl fing an, sich an der Ankarschule heimisch zu fühlen. In Krabbsjögrund kannte jeder jeden und alle wussten, wer Karl war. Aber die Leute aus dem Ort würden in ihm trotzdem immer den Sommergast sehen. Einen, der nicht richtig zu ihnen gehörte.
    »Karl!«, hörte er eine Stimme, die sich über das Gemurmel erhob.
    Es war Sara. Karls Gesicht hellte sich auf. Sara war eine gute Freundin. Eine richtig gute. Mit ihr zusammen war er in dieser schrecklichen Nacht vor einigen Wochen draußen auf dem Meer dem Geisterschiff Vallona begegnet.
    Sie lächelte breit und winkte ihn zu sich. Erleichtert gesellte sich Karl zu ihr und den beiden Jungs aus ihrer Klasse, mit denen sie zusammenstand. Alle drei stopften sich so mit Weihnachtsgebäck voll, dass sie schon richtige Hamsterbacken hatten.
    »Ist das nicht toll, dass wir endlich Weihnachtsferien haben?«, sagte Sara mit vollem Mund.
    Karl nickte und schnappte sich auch einen Keks.
    »Was wirst du in den Ferien machen?«, fragte Sara.
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß nicht. Nichts Besonderes. Mama kommt nach Hause. Also nach Hause zu Großvater. Und außerdem habe ich Sjölund versprochen, ab und zu seinen Hund auszuführen. Und du?«
    »Ich spiele doch in dem Theaterstück mit, weißt du? Dem Jubiläumsstück.  Ein Haus am Meer. Also werde ich wohl vor allem proben. Das wird bestimmt cool!«
    Sara strahlte, als sie von dem Theaterstück sprach.
    »Und weißt du, wen ich spiele? Die Lilly!«
    »Wer ist das?«
    Verwundert riss Sara die Augen auf.
    »Das ist doch die Hauptrolle, du Depp. Lilly. Die, die Krabbsjögrund gegründet hat. Muss man dir echt alles erklären?«
    »Sieht so aus.«
    Sara lachte.
    »Aber wir müssen auf jeden Fall auch Schlittschuh laufen gehen. Darauf habe ich mich schon den ganzen Herbst über gefreut und . . .«
    Sie verstummte und zeigte ans andere Ende des Raumes.
    »Schau mal, da steht ja dein Großvater!«
    Überrascht drehte Karl sich um und tatsächlich, sein Großvater stand tief in Gedanken versunken vor einem der Plakate, die die Wände im Foyer schmückten. Sara warf einen raschen Blick auf ihre Uhr.
    »Ich muss noch kurz hinter die Bühne und etwas holen. Wollen wir uns danach zusammen reinsetzen?« Sie verzog das Gesicht. »Die Feier könnte ziemlich lang werden. Und langweilig . . .«
     
    »Du bist ja doch gekommen!«, sagte Karl.
    Aber Großvater reagierte nicht. Er war vollkommen in ein gerahmtes Theaterplakat von
Ein Haus am Meer
vertieft – dasselbe Stück, in dem auch Sara mitspielen sollte. Allerdings hatte die Aufführung, für die dieses Plakat Werbung machte, bereits vor fünfzig Jahren stattgefunden.
    »Hast du das Stück damals gesehen?«, fragte Karl.
    Großvater zuckte zusammen, als er seine Stimme hörte.
    »Ob ich es gesehen habe? Ja . . . Doch . . . Eigentlich sogar mehr als das.«
    Großvater zeigte auf die Darstellerliste. Erik Dymling und Linnea Andersson   – Karls Großeltern!
    »Ich wusste gar nicht, dass du Theater gespielt hast!«
    Großvater lächelte und sah dabei stolz und zugleich ein wenig traurig aus.
    »Tja. Man war ja schon mal hübscher als heute«, murmelte er. »Und das Gedächtnis hat damals auch noch besser funktioniert. Da konnte man so viele Dialoge auswendig lernen, wie man nur wollte.«
    Sein Blick wanderte zurück zu dem Plakat. Ein junges Mädchen im Wald war darauf abgebildet. Sie sah ängstlich aus.
    »Nicht, dass ich eine große Rolle gehabt hätte«, fuhr er fort. »Ich war nur einer der Brüder. Aber deine Großmutter . . . Deine Großmutter war ein richtiger Star! Bis . . .«
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