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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben
Autoren: Emile Zola
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... vor dem Nachher; die Angst vor dem Tode, die alles lähmt. Wozu?, da doch alles ein Ende nehmen muß, und vielleicht schon in der gleichen Stunde. Das trifft ihn in seiner Aktivität. Die Angst im Schmerz, die Revolte gegen den Schmerz.« Diese Charakterkonzeption machte Lazare für Zola zur Verkörperung des »modernen Ichs«.
    Zola schließt diese ersten Überlegungen damit, daß er noch einmal ausdrücklich auf die beabsichtigte Grundtendenz seines Buches hinweist: »Ich will nicht die kleinen Alltagssorgen schildern, die kleinen Gemeinheiten des Lebens ... [also keine Erziehung à la Flaubert – R. Sch.]; ich will vielmehr einen breiten Strom des Lebens schildern, das Leiden und die Güte; und das – und darin liegt die Schwierigkeit – nicht mit meiner üblichen poetischen Manier, sondern mit einer ständigen Analyse der täglichen Fakten.« (Hervorhebung R. Sch.) Doch ein Flaubert? War der »Alte« nicht gerade dabei, seine große Abrechnung mit der menschlichen Dummheit vorzubereiten, den nicht mehr vollendeten Roman »Bouvard und Pécuchet«? Zola ging es um das Leid und die Güte. Flaubert um die menschliche Dummheit schlechthin, denn in diese hatte sich unter dem Einfluß der wachsenden Enttäuschung über die zeitgenössischen Zustände gerade auch der Dritten Republik für ihn allmählich die Dummheit des Spießbürgers verwandelt. Beide waren sich offensichtlich nicht bewußt, daß sie mit der abstrakten Fragestellung nach der menschlichen Natur schlechthin selbst in die Blickrichtung des so heftig abgelehnten Idealismus einschwenkten und der bürgerlichen Modephilosophie des Pessimismus ihren Tribut zollten. Doch immerhin durchsuchte Flaubert noch für seinen Prozeß gegen die menschliche Dummheit die gesamte Geschichte nach tauglichen Beweisstücken. Zola zog sich diesmal anscheinend auf seine eigenen inneren Nöte und Ängste zurück.
    Daß er in diesem Jahr 1880 eine schwere seelische Krise durchlebte, bezeugen sowohl die Tagebuchaufzeichnungen Edmond de Goncourts wie auch die Mitteilungen seiner Freunde: die biographische Skizze von Paul Alexis, die Notizen Céards, aber auch Berichte von Journalisten wie de Amicis, die Zola interviewten. Die Unruhe Lazares, seine abergläubische Angst, die innere Zerrissenheit, die ohnmächtige Wut gegen Krankheit und Leiden, das qualvolle Gepeinigtwerden von dem Gedanken an den Tod, die Schlaflosigkeit alptraumerfüllter Nächte – das alles scheint Zola selbst gekannt zu haben. Zumindest legen die Untersuchungen von Dr. Toulouse das nahe. Verstärkt wurde die psychische Krise des Jahres 1880 durch eine Reihe schmerzlicher Erschütterungen. Am 9. April starb sein Freund Duranty. Einen Monat danach, am 8. Mai, Flaubert. Zola hatte den »Alten« noch wenige Wochen vor seinem Tode auf einer der üblichen Pilgerfahrten zu ihm gemeinsam mit Edmond de Goncourt, Alphonse Daudet, Charpentier und Huysmans in Croisset besucht und voller Stolz das Lob Flauberts, des einzigen zeitgenössischen Schriftstellers, dessen Autorität er über sich anerkannte, für seinen letzten Roman, »Nana«, entgegengenommen. Nun mußte er den gleichen Weg nach Croisset zur Beerdigung zurücklegen. Sein Schmerz war so groß, daß er am nächsten Tag Céard gegenüber äußerte, es wäre besser, wenn sie alle gleich stürben. »Dann wäre es wenigstens rascher vorbei.« Nein, zweifelsohne, es gebe nur Traurigkeit, und es lohne sich nicht der Mühe, daß man lebe.
    Kurze Zeit danach traf ihn ein dritter Schlag, der Tod seiner Mutter. Als einziges Kind hatte er immer ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter gehabt. Daran änderte auch seine Ehe mit Alexandrine nichts. Madame François Zola wohnte im Hause ihres Sohnes, schrieb oft genug seine Manuskripte ab, bewunderte ihn, vergötterte ihn. Doch das Verhältnis der beiden Frauen zueinander war kein allzu gutes. Wie viele Mütter sah Frau Zola in der Schwiegertochter mehr die Nebenbuhlerin, mit der sie die Liebe des Sohnes teilen mußte, als dessen eigenes Lebensglück. Zola hatte der Mutter deshalb, sobald es ihm seine finanziellen Verhältnisse erlaubten, in Paris eine eigene Wohnung gemietet. 1880 war Madame Zola zu Verwandten nach Verdun zu Besuch gefahren. Dort wurde sie von einem schweren Herzanfall überrascht. Nur durch Aufbietung aller Willenskraft überstand sie die beschwerliche Rückreise mit der Bahn nach Médan. Zehn Tage nach ihrer Rückkehr, am 17. Oktober, starb sie nach einem qualvollen Todeskampf, nach furchtbaren
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