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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben
Autoren: Emile Zola
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Szenen haßerfüllter Ausbrüche gegen die sie geduldig pflegende Schwiegertochter. Wie Frau Chanteau im sechsten Kapitel des Romans, das tatsachengetreu nach Zolas eigenen Erinnerungen aus diesen Tagen geschrieben ist, war auch Frau Zola in dem Wahn befangen, ihre Schwiegertochter wolle sie vergiften; und wie Lazare wußte auch Zola nichts Besseres zu tun, als in hilfloser Verzweiflung durch die Gegend zu streifen. Aber um diese Erlebnisse künstlerisch verarbeiten zu können, bedurfte es eines gewissen zeitlichen Abstands. Noch war Zola selbst viel zu unmittelbar von der gewählten Thematik des Leidens und Sterbens, der Angst vor dem Tode betroffen, als daß er sie mit der nötigen objektivierenden Distanz gestaltet aus sich herausstellen konnte. »Ich habe den Plan zur ›Freude am Leben‹«, schreibt er an Edmond de Goncourt am 15. Dezember 1883, »vor dem des ›Paradieses der Damen‹ aufgestellt. Ich habe ihn liegenlassen, weil ich in dieses Werk viel von mir und den Meinen hineintun wollte und unter dem frischen Schlag des Verlustes meiner Mutter nicht den Mut hatte, es zu schreiben.« Statt dessen schrieb er ein anderes »düsteres« Buch, wie die Presse vermerkte, die bittere Satire auf die Scheinmoral des Pariser Bürgertums, »Ein feines Haus«. Doch schon mit dem nächsten Roman tritt eine gewandelte lebensphilosophische Grundhaltung zutage. Das »Paradies der Damen« sollte » ... die Freuden am Tätigsein und das Vergnügen am Dasein zeigen. ›Ein feines Haus‹ und die anderen genügten, um die Mittelmäßigkeiten und Niedergänge des Daseins zu zeigen. Also ein vollständiger Wechsel der Philosophie: zunächst kein Pessimismus mehr, den notwendigen Schluß nicht in der Dummheit und Melancholie des Lebens finden, sondern in der Freude seines Werdens. In einem Wort: mit dem Jahrhundert gehen ... das Hohelied des modernen Tätigseins schreiben ...« (Hervorhebung R. Sch.)
    Sicher wird es schwierig sein, die Gründe im einzelnen zu ermitteln, die Zola zu diesem Perspektivenwechsel veranlaßten. Keineswegs waren es primär subjektive. Denn in gewisser Beziehung veränderte sich in dieser Etappe die gesamte künstlerische Zielsetzung für die »RougonMacquart«. Aus einer Abrechnung mit der Vergangenheit wurden sie immer stärker zu einer Abrechnung mit der Gegenwart und sollten zweifelsohne auch zugleich ein Entwurf in die Zukunft hinein werden oder ihn zumindest vorbereiten. Deshalb das stärkere Hineinnehmen neuer Themenkomplexe, die Beschäftigung mit dem Problem des Sozialismus, von dem Zola sagte, daß dies »die wichtigste Frage des kommenden Jahrhunderts« sei. Und deshalb auch sein Bemühen, einen Beitrag zu leisten zur Lösung des sozialen Problems, zu der Frage nach den positiven Kräften, die die Gestaltung dieser neuen Gesellschaft garantieren konnten. Aber gerade an diesem Punkt stößt er an die Grenze seiner erkenntnismäßigen Möglichkeiten, seiner gesellschaftlichen Einsicht. Befangen im Positivismus Tainescher Prägung, in naturphilosophischen Gedankengängen, hat er keine andere Lösung anzubieten als seinen unerschütterlichen Glauben an die Kräfte des Lebens, seine optimistische Zuversicht in die sieghafte Kraft der Natur. Sie tritt selbst in seinem bedeutendsten gesellschaftskritischen Roman, im »Germinal«, in den Schlußkapiteln zutage.
    Diese naturphilosophische Grundposition bestimmt auch die veränderte Konzeption des vorliegenden Werkes. Aus dem Buch über »das Leid des Leidens« wird der Roman über »die Freude am Leben«. Die Titelwahl – Zola hatte lange zwischen lauter negativen Titeln geschwankt: Das Tal der Tränen, Die Hoffnung auf das Nichts, Der alte Zyniker, Der düstere Tod, Die Qual des Daseins, Das Elend der Welt, Die heilige Ruhe des Nichts, Die traurige Welt – erhält programmatischen Charakter. Und erst aus diesem positiven Aufschwung heraus erfolgte wohl die Einbeziehung der Schopenhauerschen Philosophie.
    Er hat sie erst sehr spät, wahrscheinlich erst während der Ausarbeitung, zur Kenntnis genommen, obwohl die »Gedanken, Maximen und Fragmente« schon 1880 in französischer Übersetzung erschienen waren und Céard ihm das Buch damals bereits leihen wollte. Seine Beschäftigung damit war sichtlich sehr oberflächlich, was ihm schon von den Zeitgenossen angekreidet wurde. Aber Zola ging es eigentlich auch nicht um Schopenhauer, sondern um die Zurückweisung der ganzen modephilosophischen Richtung des Pessimismus schlechthin, der Frankreich seit
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