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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
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behindern.
    Gemeinsam näherten wir uns dem Haus. Wir gingen in einem Bogen an einem erleuchteten Fenster vorbei, aber die dicken Vorhänge waren vorgezogen, so daß niemand hinaussehen konnte.
    Wir hielten uns am Geländer der Feuerleiter fest und stiegen vorsichtig hinauf. Es roch kalt nach rostigem Metall, und das Eisengestänge knarrte hohl, als wir uns nach oben bewegten. Wir gingen langsam, Stufe für Stufe, und ich mußte mich anstrengen, nicht bei jedem Schritt tief durchzuatmen.
    Wir stiegen ohne Hindernisse am Erdgeschoß vorbei und kletterten weiter. Ich flüsterte: »Sollen wir versuchen, oben im zweiten reinzukommen?«
    Sie nickte.
    In jeder Etage war ein Altan unter einer Küchentür und dem daneben liegenden Fenster. Im ersten Stock reichte er bis zu einem Fenster mit schweren roten Vorhängen, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Das konnte Ole Johnnys Büro sein.
    Ich trat an das Fenster. Wir hörten Stimmen dahinter. Ich sah mir das Fenster genauer an. Es war von innen verschlossen, aber die Vorhänge waren etwas zu hastig vorgezogen worden. In der Mitte war ein klitzekleiner Spalt, ein schmaler Lichtstreifen fiel zu uns hinaus. Die Stimmen drinnen klangen laut und wütend. Elsa sagte ängstlich: »Varg, ich krieg plötzlich – Angst.«
    Ich antwortete nicht. Ich legte mein Gesicht an die Scheibe, vor den schmalen Spalt. Es war Ole Johnnys Büro.
    Ich konnte nicht den ganzen Raum überblicken, aber was ich sah, war genug. Es waren fünf Männer. Vor dem Schreibtisch standen – wie zwei ungezogene Schüler im Zimmer des Schulleiters – unsere zwei Freunde aus Sirevåg. Jolle hatte einen dicken blauen Fleck auf der Stirn, und sein Kinn war geschwollen und blaurot. Kalle sah blaß aus. Den Gesichtsausdrücken nach zu urteilen, bekamen sie gerade eine ordentliche Standpauke.
    Am Schreibtisch, links auf einem Stuhl, saß Ole Johnny, ohne ein Wort zu sagen. Neben ihm stand Niels Vevang.
    Es war der fünfte Mann im Raum, der das Wort führte, mit rotgeflecktem Nacken und schwingenden, hitzigen Schulterbewegungen. Er stand mit dem Rücken zum Fenster, und er trug keinen Cowboyhut. Das war auch nicht nötig. Ich erkannte ihn trotzdem wieder. Es war Carl B. Jonsson.

37
    Ich winkte Elsa zum Fenster herüber. In der Dunkelheit waren ihre Gesichtszüge weich, und die Angst hatte sie jünger gemacht, verletzbarer. Ich nickte zur Öffnung im Vorhang, und sie legte zögernd ihr Gesicht an die Scheibe.
    Sie fuhr zusammen und streckte eine Hand aus, wie um sich festzuhalten. Ich griff sie und drückte sie leicht. Sie zog sich vom Fenster zurück. »Da sitzt ja …«
    »Das sind unsere Freunde, ja. Und Ole Johnny. Und …«
    »Carl Jonsson«, fiel sie mir ins Wort.
    Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf ihr Gesicht. »Kennst du ihn?«
    Sie sagte leise: »Ich garantiere dir, daß Jonsson der Mann hinter allem ist, was in diesem Haus vor sich geht. Ole Johnny hätte nie das Format für solche Projekte. Er ist nur vorgeschoben.«
    »Und wer hätte eine strategisch günstigere Position als der Sicherheitschef einer Ölgesellschaft? Er konnte Ole Johnny die Informationen liefern, wer Geld hatte – und wen er an der Tür abweisen sollte.«
    »Er hat mir erzählt, er hätte hohe Einkünfte. Aber er sagte nie, woher. Er war großzügig.«
    Ich hörte die Mattheit in meiner Stimme. »Soll das heißen, daß er auch …?«
    Sie drückte kurz meinen Oberarm und nickte. »Er hat mir eine seltsame Geschichte erzählt«, sagte sie schnell.
    Ich wandte mich ab und legte das Gesicht wieder an die Scheibe. Jetzt sprach Ole Johnny. Jonsson stand noch immer mit dem Rücken zum Fenster. Seine kräftigen Arme hingen schlaff herunter, und er schnippte nervös mit den Fingern. Ohne zur Seite zu sehen, sagte ich: »Und was?«
    »Er – es war in den USA. Er hatte eine Tramperin mitgenommen, eine der tollsten Frauen, die er je gesehen hatte, sagte er. Und es war überraschend leicht gewesen, sich an sie ranzumachen. Es verging nicht mehr als eine halbe Stunde, bis er in eine Seitenstraße einbiegen und mit ihr loslegen konnte. Es waren die phantastischsten Küsse, die er je …«
    Jonsson hatte Ole Johnny mit einer herrischen Bewegung unterbrochen. Dann ging er durch den Raum zu Kalle und Jolle. Direkt vor ihnen drehte er sich herum, fuchtelte mit der einen Hand vor ihren Gesichtern herum und schnauzte Ole Johnny an. Sein Gesicht war vor Erregung rot gefleckt. Es glitzerte silbern in seinen Haaren und golden aus seinem Mund. Er sah
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